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Ungeist und Doppelmoral

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mutet es an, wenn ein Politiker wie Henning Voscherau die so gerühmte „unabhängige" Justiz öffentlich als „zu lahm, zu lasch und zu lau" angreift und gar „den Richtern mit Gesetzen Beine machen" will. Der besondere Trick des Herrn Voscherau ist, die gesamte Aufmerksamkeit auf die beschränkte Wahrnehmung „zu lahm, zu lasch und zu lau" zu len- ken. Gerade so, als sei das Lasche und das Laue das einzige Kriterium der Justiz. Herr Voscherau müßte eigentlich als Politiker und insbesondere als Rechtsanwalt wissen, daß er mit dieser einseitigen Darstellung ein schiefes Bild von der Wirklichkeit malt; denn die Justiz produziert nicht nur „laue" Urteile, sondern auch beinharte. Wer aber nur die zu „lasche" Justiz registriert und die knallharte ignoriert, offenbart damit lediglich sein eingeschränktes Wahrnehmungsvermögen, nur die Dinge ins eigene Bewußtsein zu lassen, die in den Kram passen. Selbst der Bundespräsident Roman Herzog (CDU) hat sich für eine „konsequente Verfolgung der Alltags- und Kleinkriminalität" ausgesprochen. Was aber würde passieren, wenn die Justiz diese Forde- rung tatsächlich realisieren würde? Das Ergebnis wäre eine Gefängnisgesellschaft. Die Politiker müßten Unsummen für neue Gefängnisse und ent- sprechende Verwaltungen zur Verfügung stellen, um Millionen Kleinkriminelle inhaftieren zu können. Zuzüglich der laufenden Haftkosten von ca. 200 DM täglich für jeden Gefangenen. Eine „konsequente Verfolgung der Alltags- und Kleinkriminalität" läßt sich aber finanziell gar nicht realisieren.
Die permanent medial vorgetragenen unrealisti- schen Forderungen durch Spitzenpolitiker, kristal- lisieren sich so als profilneurotische Stimmungs- mache heraus. Offensichtlich fehlt es an Unterschei- dungsfähigkeit zwischen realen und irrealen Forde- rungen. Im übrigen soll damit auch der falsche Ein- druck erweckt werden, daß Kleinkriminelle stets mit Wattebäuschen behandelt werden, obwohl wir wis- sen, daß es auch solche Fälle in nicht
unerheblicher