Zoran D. kommt aus Jugoslawien und war seit einiger Zeit Gefangener in Santa Fu. Unter seinen Mitgefangenen gilt er allgemein als ruhig, wenn auch nicht kraftlos. Die, die ihn näher kennen, haben ihn schätzen gelernt, weil er sich oft genug auch für Mitgefangene einsetzte, die sich selbst vielleicht nicht so wehren konnten. Zoran D. war Mitglied im hier durch Gefangene geschaffenen Schlich-tungsrat, einer Art lockerem Gremium, das sich zum Ziel gesetzt hat, Streitigkeiten unter Gefangenen, insbesondere unter verschiedenen Gruppen und Nationalitäten, durch vernünftige Gespräche statt durch Gewalt zu lösen - eine Einrichtung, die mit Billigung der Justizbehörde geschaffen wurde und sich in der Vergangenheit in einigen Fällen bewährt hat.
Die Justiz ist kein Gesellschaftsreparaturbetrieb!
Es muß endlich Schluß damit sein, die Justiz als Gesellschaftsreparaturbetrieb zu begreifen und sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für alles verantwortlich zu machen, was in der Gesellschaft schief läuft. Die Bewältigung sozialer Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit, Drogen, der Zuwanderung, die die zuständigen politischen Gremien nicht lösen, kann auch die Justiz nicht lösen. Bei der Kriminalitätsbekämpfung sind zunächst andere Behörden und Institutionen gefordert, geeignete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, und zwar gerade auch bei jungen Menschen. Darauf werde ich immer wieder hinweisen.
Justizsenatorin Peschel-Gutzeit
So manche der hier vollzuglich Verantwortlichen mögen das Bild, das
die Mitgefangenen von Zoran D. haben, nicht teilen. Etwas zu gelten unter den Gefangenen,
um Rat und Hilfe gefragt zu werden, um Unterstützung gebeten zu werden, das bedeutet für
sie quasi automatisch: Macht zu haben, etwas bestimmen, andere unterdrücken zu können.
So einer, der ist nicht geheuer, bei dem kann einiges nicht stimmen, ja mehr noch, der ist
gefährlich. Was aber tun, wenn derjenige sich nichts zuschulden kommen läßt, wenn ihm
vollzuglich nichts vorzuwerfen ist? Aber ist das denn so, ist ihm nichts vorzuwerfen?
Vonwegen, da gibt es schließlich die Aussagen des einen oder anderen Gefangenen, der
bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, daß auf ihn Verlaß ist, der Typ von
Gefangener, den diese Herren am liebsten haben: auf seinen eigenen Vorteil bedacht und
gerade deshalb zu jeder Zusammenarbeit" mit den Herren bereit. Manche mögen
das Spitzel- oder Denunziantentum nennen, aber das sind doch schließlich nur böswillige
Verleumdungen, diese Gefangenen stellen schließlich immer wieder eine Mentalität unter
Beweis, die den entsprechenden Herren nicht so fremd ist. Und: sie sind brauchbar.
So fanden sich also auch im Fall von Zoran D. solche Herrschaften, die dem zuständigen
Sicherheitsdienstleiter erzählten, was dieser gern hören wollte. Und der sah sich nicht
nur bestätigt, sondern daraufhin auch - endlich - veranlaßt, etwas zu unternehmen: er
beantragte flugs die sichere Unterbringung des Zoran D. in der sog. Abschirmstation, dem
ehemaligen Hochsicherheitstrakt in der Anstalt Ia. Denn schließlich gab es eine neue, von
höchster Stelle ausgegebene Richtlinie", die genau jene Abschirmstation
betraf. Hatte nicht die allerhöchste Chefin persönlich, Frau Senatorin Peschel-Gutzeit,
erst kürzlich unter dem Beifall einschlägiger Medienvertreter öffentlich den
Kampf gegen die Drogen" im Knast propagiert, hatte sie nicht eben jene
Abschirmstation als das künftige Mittel im Kampf gegen Drogendealer und
Geschäftemacher im Knast vorgestellt? Nun denn, als aufrechter deutscher Beamter, wie
heißt da die Devise? (Voraus-)eilender Gehorsam, jawoll! Da werden wir unseren Beitrag in
diesem Kampf zu leisten wissen, also ab mit diesem Subjekt auf die Abschirmstation. Wie
man dies anstellt, auf welchen ach so gehaltvollen, konkreten und inhaltsschweren Aussagen
eine solch einschneidende Maßnahme beruht, dokumentieren wir durch die Abschrift des
entsprechenden Antrages jenes Herrn auf dieser Seite.
An dieser Sache allerdings ist, weder im konkreten Fall noch grundsätzlich, auch nur
irgend etwas witzig", das Ganze ist eine ebenso ernste wie skandalöse
Angelegenheit. Wenn hier Gefangene, und der Fall von Zoran D. ist leider kein Einzelfall,
nur aufgrund diffuser, nichtssagender Denunziationen in Isolation genommen, aus ihrem
gesamten Umfeld hier im Knast getrennt werden, obwohl ihnen tatsächlich nichts
vorzuwerfen ist, so ist dies, praktisch wie auch rechtsstaatlich, ein Skandal. Daß
solches Verhalten von Verantwortlichen auch in der Vergangenheit vorkam, macht diesen
nicht kleiner. Daß allerdings die Justizsenatorin höchstpersönlich sich dazu
herabläßt, derartige rechts- und menschenrechtswidrige Maßnahmen als forcierten
Kampf gegen den Drogenhandel" öffentlich zu verkaufen und damit solches Verhalten
nicht nur zu fördern, sondern geradezu einzufordern, setzt dem Ganzen sozusagen die Krone
auf. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die politischen Vorgaben einer Senatorin, die
bisher nicht
dadurch aufgefallen ist, daß sie auch nur versucht hätte, den maroden Laden der Justiz
mindestens in Ansätzen aufzuräumen. Erkannt hat sie immerhin den Zeitgeist" -
und einmal mehr entsprechenden Opportunismus gezeigt. In einer Zeit, in der manche schon
laut darüber nachdenken, daß das im Strafvoll-zugsgesetz festgeschriebene
Reso-zialisierungsgebot in Frage gestellt werden muß, in der so manche immer noch nicht
von ihrer Stimmungsmache à la macht die Mauern höher" lassen können, kommt
auch Frau Senatorin mit Forderungen und Vorschlägen, die zwar die Probleme nicht wirklich
lösen, aber fürs erste mal den Eindruck vermitteln, man sei zu solchen Lösungen bereit,
packe dies praktisch an. Jene Abschirmstation ist dafür nur ein Beispiel, wenn denn auch
ein besonders prägnantes. Daß man sich dabei auch von dem Versuch der absoluten Mehrheit
der Gefangenen, solch Unrecht zu korrigieren, nicht beeindrucken läßt - siehe den hier
dokumentierten Brief von ca. 300 Gefangenen und die entsprechende Antwort - zeigt nur,
daß es in Wahrheit um ganz andere Interessen geht - und daß man meint, diese Gefangenen
damit abspeisen zu können, so zu tun, als gäbe es da denn tatsächliche Erkenntnisse.
Die eigenen Unterlagen dokumentieren, daß dem nicht so ist. Jeder Gefangene muß also
künftig damit rechnen, daß sich ein Denunziant findet und er dann ruckzuck in der
Isolation verschwindet, wenn dies entsprechenden Herren in den Kram paßt?
Modernisierung des Strafvollzuges!
Die Erwartungen sind ja so hoch: Die Bevölkerung will Schutz und Sicherheit und das Strafvollzugsgesetz Resozialisierung. Aber in unseren zum Teil hundert Jahre alten Gefängnissen platzen die Probleme aus allen Nähten: Überbelegung, Drogen, Ausländer und gestiegene Gewaltbereitschaft sind wie vieles mehr an der Tagesordnung. Da helfen nur strukturelle Verbesserungen: So müssen gefährdete Gefangene vor gefährlichen geschützt werden. Die Bauprogramme müssen forciert und die Drogenbekämpfung verstärkt werden.
Justizsenatorin Peschel-Gutzeit
In jener Abschirmstation sitzen inzwischen mehr als ein Dutzend Gefangene, die auf ganz ähnliche Art und Weise dort gelandet sind, vielen von ihnen hat man bis heute nicht einmal gesagt, was ihnen denn konkret vorgeworfen wird, sie wurden in Nacht-und-Nebel-Aktionen dorthin verlegt: wegschließen, abschirmen, ab dafür. In jedem einzelnen Knast in Hamburg gibt es seit längerem Isolierstationen, Sicherheitsstationen ... wozu also ist eine weitere notwendig? Um den Stammtischen zu suggerieren, man sei ja auch der Auffassung, mehr Sicherheit" sei notwendig? Und der innerhalb dieser Abschirmstation praktizierte Vollzugsalltag ist rechtswidrig und rassistisch, so verstößt es z.B. ganz eindeutig gegen die Verfassung, Briefe von nichtdeutschen Gefangenen nur dann zu befördern, wenn sie in der deutschen Sprache geschrieben sind, dies gilt erst recht, wenn es sich um Briefe von Angehörigen an die Gefangenen handelt. Es sage niemand, die für den Vollzug insgesamt Verantwortlichen wüßten dies nicht, es handele sich ggf. nur um Entgleisungen" einzelner Bediensteter. Nein, es ist der gesamte Tenor des Vollzuges, der da lautet: wir machen, was wir wollen, rechtsstaatlich einwandfrei oder eben nicht - bis uns jemand, der die Macht dazu hat, eines Besseren belehrt. Die gleichen Mitarbeiter sind es, die nach Peschel-Gutzeit ihre Aufgaben fleißig und gewissenhaft erfüllen, die gleichen Verantwortlichen sind es, die den Gefangenen rechtstreues Verhalten beibringen, sie auf den rechten Weg bringen sollen. Rechts im Sinne von nicht links? Wäre es denn nur dieses eine Beispiel, könnte man glauben, es handele sich um Einzelfälle. Der Alltag in Hamburgs Knästen spricht eine andere Sprache. Er ist nach wie vor und in zunehmendem Maße geprägt von
mangelndem Personal
nicht vorhandener Entlassungsvorbereitung
latent vorhandenem Rassismus (insbesondere etwa im Untersuchungsknast)
willkürlichen, für die Betroffenen nicht nachvollziehba ren Entscheidungen
Drogenabhängigen, die ihrer Sucht und sich selbst überlassen werden
Konzeptlosigkeit
Ignoranz der Verantwortlichen
zunehmender Arbeitslosigkeit unter den Gefangenen
mangelnden Ausbildungsmöglichkeiten,
um nur mal einige Probleme zu nennen. Probleme, die es anzupacken gilt, gibt es mehr als genug, sie sind beständig über die Jahre schlimmer geworden, angepackt worden jedoch bis heute nicht. Statt dessen werden allein die Betroffenen zu den Schuldigen erklärt, es wird von zunehmender Gewaltbereitschaft" von einer sich verändernden Klientel" und anderem mehr geredet - um damit noch mehr Repression und Verwahrung begründen zu können. Tatsächlich gibt es innerhalb der Hamburger Justiz und auch innerhalb des Strafvollzuges eine Tendenz, die deutlich macht, daß es nicht nur opportunistisches Reagieren ist, sondern eigene Zielrichtung. Nicht nur wir beobachten seit längerem Tendenzen hin zu mehr Sicherheit und Ordnung", als scheine man auf dem Wege, die letzten Reste der Liberalität in Hamburgs Knästen langsam, aber sicher beiseite zu räumen. Noch leisten dem einzelne unter den Verantwortlichen tendenziell Widerstand, noch mögen sich nicht alle mit einem Vollzug abfinden, bei dem die bloße Verwahrung zur obersten Maxime erhoben wird. Aber wer die Entwicklung beobachtet, erkennt immer mehr, wohin die Reise gehen soll.
Keine Diskriminierung der Justiz!
Einer in Wahlkampfzeiten, aber auch sonst immer schnell gefundenen, wohlfeilen und populistischen Beschimpfung der Justiz stelle ich mich entschieden entgegen. Trotz der dünnen Personaldecke und der zunehmenden Eingänge wird im Rahmen des Möglichen sehr hart, fleißig und zügig gearbeitet. Das muß endlich in die Köpfe der Kritiker rein.
Justizsenatorin Peschel-Gutzeit
Mehr Sicherheitseinrichtungen, Elektronik und Kameras statt Personal,
mehr Abschottung untereinander, mehr Differenzierung", mehr Isolation, mehr
Verwahrung als Vollzugszweck, eine Zunahme von rechtswidrigem Vorgehen und rassistischen
Tendenzen. Hinzu kommen gleichzeitig entsprechende Maßnahmen auf dem Gebiet der
Gerichtshilfe, der Rechtsprechung: Schnellverfahren, geschlossene Unterbringung
Jugendlicher, Kürzung der Mittel für Einrichtungen der sonstigen Jugendhilfe,
Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten für freie Träger und anderes mehr. Es waren die
Worte von Senatorin Peschel-Gutzeit, gerichtet an die Mitarbeiter der Justizbehörde kurz
nach ihrem Amtsantritt, die bereits aufzeigten, wo die Schwerpunkte für sie liegen. Wer
da sagt, es werde gute Arbeit geleistet, und dies müsse endlich auch in die Köpfe der
Kritiker rein, der meint damit: laßt uns gefälligst in Ruhe. Wer da sagt, die Probleme
in den Knästen seien Ausländer, Drogen, Überbelegung, und diese Probleme gelte es zu
bekämpfen, der schüttet Wasser auf die Mühlen derer, die schon immer gesagt haben:
unsere Städte müssen sauberer und sicherer werden, und Schuld sind vor allem Ausländer,
Kriminelle, Bettler, Drogenabhängige - da sieht man es mal, selbst hinter Gittern ist das
noch so. Wer das sagt, sucht Sündenböcke, statt die Probleme anzupacken, statt
einzusehen, daß mit den Rezepten von gestern die Probleme von heute nicht zu lösen sind,
ja daß dies eben die falschen Rezepte waren, die viele der Probleme erst mit verursacht
haben. Davon aber will man nichts wissen, die Sündenböcke sind gefunden, es sind die,
die immer herhalten mußten und müssen. Nicht eine unsoziale Politik, der es
gegenzusteuern gilt, nicht Elitedenken, nicht Aus-grenzung, nicht Rassismus, nicht eine
falsche Drogenpolitik - und schon gar nicht man selbst natürlich. In bester Tradition
wird es also auf dem Rücken derer ausgetragen, die sich am schlechtesten wehren können.
Und jene Fachleute, die solche Tendenzen kritisieren, wie etwa kürzlich erst der
Jugendge-richtshilfetag, verschiedene Juristen, etwa die Kriminologische Initiative
Hamburg oder sonstige beruflich damit befaßte Menschen, sollen also endlich mal den Mund
halten, sich nicht einmischen - das hätte man gern. Weder die Hamburger Justizsenatorin
noch andere Verantwortliche in der Hamburger Justiz sollten sich dem Irrglauben hingeben,
daß dieser Wunsch in Erfüllung geht. Er geht auch insoweit nicht in Erfüllung, daß
jene Teile der Presse, die solchen Tendenzen eindeutig ablehnend gegenüberstehen - selbst
wenn sie in Hamburg in der Minderheit sind - einem solchen Treiben tatenlos zusehen
werden. Was den blickpunkt angeht, so werden wir uns diesem Thema in den nächsten
Ausgaben noch widmen, und wir werden dies dann auch möglichst konkret tun, die konkreten
Veränderungen benennen und, wo dies möglich ist, auch Alternativen aufzeigen. Für heute
kommen wir zurück auf die Vorgänge um jene Abschirmstation. Diese Station ist ebenso
überflüssig wie schädlich, die Mär von der unter den Gefangenen angeblich
gestiegenen Gewaltbereitschaft" dient einmal mehr dazu, willkürliche
Maßnahmen zu rechtfertigen, die für den gesamten Vollzug kontraproduktiv sind. Wenn die
Hamburger Justizsenatorin die unzweifelhaft im Vollzug vorhandenen Probleme wirklich
anpacken wollte, so hätte sie dazu bereits Gelegenheit gehabt. Und würde sie diese
wirklich anpacken, so wüßte sie dabei nicht nur die Kritiker, sondern auch die
Gefangenen auf ihrer Seite - denn die sind es, die unter diesen Problemen tatsächlich zu
leiden haben. Wer da aber einmal mehr die billige Lösung" will, wer auf dem
Rücken von Menschen die Stammtische bedienen will, wer Probleme nicht lösen, sondern
wegisolieren, hochrüsten und verwahren will, wer mit immer neuen Vorschlägen"
Nebelkerzen schleudert, statt seine Arbeit zu tun, zeigt damit vor allem eines: die eigene
Unfähigkeit.
(jes)