Manche mögen es bereits Berichten verschiedener Hamburger Medien
entnommen haben: das sog. Hamburger Modell", die Zahlung von Tariflohn an
Gefangene innerhalb des Knastes, steht vor dem mindestens vorläufigen Aus. Der blickpunkt
hatte bereits vor mehr als 2 Jahren über die Schwierigkeiten des Unternehmens und
dessen Klagen über mangelnde Unterstützung durch die Justizbehörde berichtet und
vorhergesagt, daß man dies Modell in der Justizbehörde als Auslaufmodell"
betrachte (wir dokumentieren diesen Artikel aus dem blickpunkt Juli 96 im
Anschluß). Nun ist genau dieser Fall eingetreten: das Unternehmen, das Werbeständer und
andere Materialien aus Metall fertigt, wird den Knast verlassen und nach Norderstedt
umziehen.
Der Betrieb befindet sich noch auf dem Gelände der JVA Neuengamme, einer offenen Anstalt,
die auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme errichtet wurde. Der
Inhaber des Unternehmens, Gonse, hat hierzu erklärt, neben der mangelnden Unterstützung
durch die Justizbehörde sei der Hauptgrund, daß sich immer weniger Gefangene finden, die
zum einen qualifiziert genug sind, um die notwendigen Arbeiten durchführen zu können,
und die zum anderen einen regulären 8 stündigen Arbeitstag tatsächlich
durchhalten können". Das Unternehmen arbeitet heute zunehmend mit modernen
Maschinen, etwa sog. CNC-Geräten, also Maschinen zur Metallbearbeitung, die
computergesteuert arbeiten, Handarbeit ist, im Gegensatz zu früher, kaum noch gefragt.
Und für die Bedienung dieser komplizierten Maschinen finden sich kaum noch Gefangene, die
über die notwendige Qualifikation verfügen. Allerdings, so beklagt nicht nur das
Unternehmen, wurden etwa seitens der Justizbehörde auch keinerlei Anstrengungen
unternommen, geeigneten Gefangenen z.B. eine Ausbildung zu ermöglichen. Nach wie vor
können Gefangene, unabhängig von jedem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt, die
klassischen Ausbildungsberufe" erlernen: Maurer, Schlosser, Elektriker,
Kesselwärter und dergleichen mehr. Der Umgang mit modernen Maschinen oder andere
entsprechende Fertigkeiten, die sich aus der sich verändernden Berufswelt ergeben haben,
spielen für die Justiz dabei keine Rolle, hier bildet man - wenn überhaupt - aus wie vor
20 Jahren. Tatsächlich, und das mag sich für den Betrieb ebenfalls ausgewirkt haben, hat
sich die Zusammensetzung der Gefangenen gerade in dieser Anstalt verändert. Heute sind
bekanntermaßen die meisten der dort im sog. offenen Vollzug einsitzenden Gefangenen
drogenabhängig, sitzen wegen Beschaffungsdelikten". Daß Menschen, die
drogenabhängig - und damit krank - sind, in den wenigsten Fällen in der Lage sind, sich
auf ihren Arbeitstag zu konzentrieren, ist bekannt. Bekannt ist allerdings auch, daß auch
und gerade die Damen und Herren der Justiz wider besseres Wissen an dem Irrglauben
festhalten, vor allem Repression könne das Drogenproblem lösen (siehe Seite 1). Kein
Wunder also, wenn in den Knästen immer mehr Abhängige sitzen, erst recht kein Wunder,
wenn diese, mit ihrer Sucht allein gelassen, keinen regulären Arbeitstag
durchhalten" können. Warum aber gibt es im Knast - und speziell in dieser Anstalt
dort - derartige Zustände? Warum werden nicht wirkliche Lösungsansätze gesucht? Doch
wie dem auch sei, hätte man wirklich ein Interesse an jenem Hamburger Modell"
gehabt, so hätte man ohne Schwierigkeiten und gemeinsam mit dem Unternehmen dafür sorgen
können, daß dies Modell nicht nur weiterläuft, sondern ausgebaut werden kann. Es auf
die Gefangenen und deren mangelnde Fähigkeiten" zu schieben, wie etwa der
stellv. Leiter des Strafvollzugsamtes, Hans-Jürgen Kamp, ist zwar bequem, geht aber an
der Realität vorbei. Wenn Kamp in einem Interview mit dem NDR u.a. sagt, man werde statt
des nun abwandernden Betriebes Ausschau halten nach einem anderen mit eher sehr
einfachen Arbeiten", so zeigt dies deutlich, daß nicht Qualifizierung und Förderung
der Gefangenen, sondern deren billige Ausbeutung als Lohnsklaven nach wie vor das
tatsächliche Interesse der Justizbehörde ist. Das Hamburger Modell" hat
ausgedient, die dort gestellten Ansprüche - an die Behörde und ihre Mitarbeiter, nicht
nur an die Gefangenen - waren zu hoch. Zurück in die Vergangenheit - Fortschritt à la
Peschel-Gutzeit.
(jes)