Seite 1b

Legal? Illegal? Scheißegal!

Skandalöse Geldbeschaffung

Aus welcher Behörde hört man heute keine Klagen über mangelnde Finanzmittel, überall herrscht Ebbe in den öffentlichen Kassen. Not macht bekanntlich erfinderisch - das sagten sich offensichtlich auch einige Verantwortliche der Justizbehörde und ersannen eine neue Methode der Geldbeschaffung.
Gegen Gefangene in Hamburgs Knästen, die sich „etwas zuschulden kommen lassen", also z.B. sich mit einem anderen Gefangenen prügeln, Anweisungen des Vollzugspersonals nicht bedingungslos folgen oder etwa ihrer Pflicht zur Zwangsarbeit nicht nachkommen, wird, so sieht es das Strafvollzugsgesetz vor, ein Disziplinarverfahren eröffnet, sie werden bestraft. Sei es, daß ihnen das TV-Gerät weggenommen wird oder daß sie für Tage, Wochen oder gar Monate von den übrigen Gefangenen isoliert werden. Schlimm genug, daß man glaubt, allein mit Repression ließen sich die Probleme eines erzwungenen Zusammenlebens, eines Mikrokosmos auf engstem Raum, lösen.
Doch wer in den letzten Wochen eine „Arreststrafe" zu verbüßen hatte oder auch für längere Zeit wegisoliert wurde, erhielt danach ein Schreiben der Justizverwaltung, in dem ihm mitgeteilt wurde, er habe „...an x Tagen schuldhaft nicht gearbeitet..." und sei deshalb „..gemäß § x der Verwaltungsgebührenordnung zur Zahlung eines Haftkostenbeitrages verpflichtet". Wie in dem Schreiben mitgeteilt wurde, habe der betreffende Gefangene für jeden Tag, den er zwangsweise auf der Isostation weggesperrt war, einen Haftkostenbeitrag in Höhe von DM 21,25 zu zahlen - ein Betrag, für den ein Gefangener ca. 3 Tage arbeiten muß, denn Gefangene erhalten im Schnitt eine „Entlohnung" von 8.- DM täglich. Insbesondere für Gefangene, die über einen längeren Zeitraum isoliert waren, ergibt das schon mal eine Summe, die sie aus ihrem „Arbeitsverdienst" kaum zahlen können. Wer etwa, und das ist so selten nicht, einen Monat lang weggesperrt wurde, hat nach Aufrechnung der Justizbürokraten dann die Summe von DM 467,50 ( 22 Arbeitstage x 21,25) zu zahlen. Den gleichen Betrag „verdient" er in ca. 3 Monaten. Nicht nur, daß es schon ziemlich bösartig ist, sich derartige Methoden der Geldbeschaffung für den gebeutelten Justizhaushalt auszudenken, widerspricht eine solche Praxis auch dem Grundgedanken des Strafvollzugsgesetzes. Sie zeigt allerdings, und insofern ist sie nur ein Beispiel mehr in einer Kette von Entscheidungen und Vorgängen, woher nach Übernahme der Amtsgeschäfte von Senatorin Peschel-Gutzeit der Wind weht: Gefangene sind - mindestens in den Augen der Justizbürokraten - in jeder Weise verfügbar, mit ihnen kann man machen, was man will. Einer erfolgreichen Wiedereingliederung in die Gesellschaft mag das nicht dienlich sein - doch darum geht es längst nicht mehr. Heute folgt man wie in anderen Bereichen vor allem dem eigenen Gutdünken, getreu dem Motto: legal, illegal - scheißegal.
(jes)

AG00108_.gif (1629 Byte)Zurück        WeiterAG00051_.gif (1652 Byte)