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Seite 5 Eine Gerichtsreportage 1/3

Kollektive Erinnerungslücke

Wir hatten darüber berichtet: Mohamed G. hatte Ärger mit den Sanitätern im hiesigen Knast. Als er einen Verband erneuert haben wollte, weigerten sich diese, er bestand darauf, ein Wort gab das andere, man versuchte, ihn mit Gewalt rauszuwerfen, schließlich kamen weitere Beamte als Unterstützung, und Mohamed G. landete erst einmal auf der Iso-Station. Er beschwerte sich und erstattete schließlich Strafanzeige gegen einen der Sanitäter, weil dieser ihn getreten und gegen den Türrahmen geworfen haben soll. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein und teilte ihm mit, er habe „erheblichen Ermittlungsaufwand verursacht", weshalb man nun gegen ihn ein Verfahren einleiten werde, und zwar wegen falscher Verdächtigung und Körperverletzung, da er einen Sanitäter geschubst habe, woraufhin dieser „kurzzeitig einen Schmerz verspürte".

Es folgte tatsächlich die Anklage, und jetzt auch der Prozeß vor dem Amtsgericht. Sieben Zeugen waren geladen, alle sind Bedienstete der hiesigen Anstalt. Die Staatsanwaltschaft hatte die beteiligten Sanitäter als Zeugen geladen, diese wirkten vor Gericht fast schon aggressiv, so, als sei es eine Zumutung, daß sie den Fragen des Amtsrichters ausgesetzt seien, Auskunft geben mußten. Sehr übereinstimmend erklärten sie, der Gefangene habe sie beschimpft und schließlich einem von ihnen einen Stoß vor die Brust gegeben. „Hatten Sie denn Schmerzen?" wollte der Richter wissen, und die Antwort war „Eigentlich war ich eher erschrocken, wie das halt so ist, wenn sie jemand schubst". Das kann, wie sich später herausstellt, nicht als Körperverletzung gewertet werden.
Die Verteidigung hatte andere Bedienstete laden lassen, die darüber aussagen sollten, was Mohamed G. ihnen über den Vorfall berichtet, daß er sich darüber beschwert hatte.