Betrifft Abo des blickpunktes und Vollz.
Sehr geehrte Redaktion,
bezugnehmend auf Euer Schreiben vom 4.9.1998 und der Ablichtung des
Schreibens vom 14.7.1998 an unseren Anstaltsleiter H. Herten, (Leiter aus den neuen
Bundesländern kommend) möchte ich Euch nun folgendes mitteilen.
Habe wegen der Rücksendung des blickpunktes eine an den Leiter gerichtete
Beschwerde geschrieben. Diese kam nun vor einigen Tagen zurück mit dem Vermerk auf diesem
meinem Schreiben, daß die Poststelle rechtens gehandelt habe mit der Rücksendung, da
hier bloß 3 Zusendungen erlaubt sind, und der Gefangene hat schon 1 Sportzeitung im Abo;
1 Gefangenenzeitung aus Berlin und ein christliches Infoblatt (4 Seiten), was regelmäßig
kommt. Somit war die Zeitung zurückzusenden! Beschwerde ist unbegründet zurückgewiesen!
Aber... es gebe keine grundsätzlichen Gründe der Ablehnung gegen eine derartige Zeitung
u. Zusendung, und außerdem ist ja keine weitere Zusendung vom blickpunkt erfolgt.
Was wieder einiges offen läßt. Im übrigen heißt es dort weiter, eine Antwort auf das
Schreiben der Redaktion ist von mir (Leiter) erfolgt. Anbei eine Ablichtung.
Ich würde Euch bitten, es demzufolge mit der Zusendung noch mal zu versuchen. Habe jetzt
auch daraufhin einen Antrag auf zusätzliche Zusendung gestellt.
Also ich persönlich glaube nicht, daß Gefangenenzeitungen oder christliche
Informationsblätter (4 Seiten) überhaupt zu dieser Regelung gemäß StVollzG,
Beschränkung der Abosendungen an Gefangene, gehören, oder wie seht Ihr das? Die
angemessene Menge der Zusendungen ist im Callies/Müller-Dietz-Kommentar zum StVollzG mit
6 Zusendungen angenommen worden, soweit wie ich weiß, worüber ich auch informiert hatte,
aber keine Reaktion darauf erhielt. So gut wie: hier ist Waldheim und die haben ihre
eigene Auslegung des StVollzG.
Diesen Standpunkt der Anstalt muß man sich bei allen möglichen Dingen dann anhören.
Selbst genehmigte Dinge anderer Anstalten innerhalb des eigenen Bundeslandes werden mit
solchen und pauschalen Ablehnungen beantwortet, obwohl diese Anstalt etwa einen geringeren
Sicherheitsgrad hat als die JVA Torgau oder die JVA Bauzen.
Man bezieht sich hier ja immer auf die Sicherheit. Festgestellt habe ich hier, daß man
Neuerungen gegenüber nicht gerade freundlich eingestellt ist. Am liebsten wäre es, wenn
alles beim Alten bliebe.
Ich hatte euch doch mal über die Hausverfügung der Einrichtung von Lang- und
Kurzstraflerstationen, die sich dem Alkohol versagen informiert. Diese ist aus
irgendwelchen Gründen noch nicht durchgesetzt worden. Aber man hat den sogenannten
Harten Kern" in ein anderes Haus auf eine Station gelegt, wo es bis zur
Arrestverfügung kam wegen indirekter Gegenwehr. Somit hatte man erst mal wieder
einigermaßen Ruhe" in dem Haus 1 (was die Brem genannt wird und wo auch ich
liege). Nun konnte ich ohne Bedenken ans Saubermachen" denken in zu
wohnlich" eingerichteten Hafträumen. Betten wurden angeschraubt, so daß man
sie nicht verstellen kann und noch so einige kleine Dinge, die Ihr ja sicherlich auch
kennt.
Vorwiegend gibt es hier nur große Hafträume, was heißt, der Zugang ist durch eine Tür
möglich. Darin ist eine Einzelzelle als Waschraum und Toilettenraum (ohne Abtrennung), je
3-4 Teile. Dann folgt ein großer Raum, aus 4 Einzelhafträumen bestehend, eine
Durchgangstür und ein weiterer Raum aus 4 Einzelhafträumen bestehend. Diese großen
Hafträume sind in der Regel mit 8 Gef. belegt worden. Jeweils zwei Gefangene können sich
ihren Fernseher von den Effekten holen. Je 4 Gefangene ein TV-Gerät. Von einem wohnlichen
Einrichten kann da natürlich keine Rede mehr sein. Die Schränke sollen alle an den
Seitenwänden stehen und 40 cm von der Wand. Viele machen dies natürlich nicht und
versuchen sich eine kleine Intimsphäre einzurichten durch Schrank und Deckenabhängung.
Deswegen gibt es ständig Streitereien zwischen Gefangenen und Bediensteten und gelbe
Zettel. Aufschlußzeiten zur Freizeit: 2 Stunden! Auch am Wochenende. Pro Tag eine Stunde
Hofgang und manchmal im Sommer Volleyball. Sinnvolle Freizeitgestaltung oder Kommunikation
untereinander sowie mit bestimmten Diensten, Sozialdienst o.a., ist eben durch die 2
Stunden nur sehr begrenzt möglich. Somit werden sich andere Beschäftigungen"
gesucht, Alkohol, Drogen und Schlägereien. Der ärztliche Notdienst hat viel zu tun, vor
allem an den Wochenenden, in diesen 2 Stunden! Man hat nun getrennte Aufschlußzeiten und
auch Hofgangszeiten für jede einzelne Station verfügt, wegen der Gewaltbereitschaft und
angeblicher Geschäftemacherei. Es ist manchmal so, als wenn man einen richtig heiß
gemachten Hund aus dem Zwinger läßt. Es ist schlimm, diese zerstörerischen Kräfte des
Strafvollzuges sich Tag für Tag mit ansehen zu müssen, durch diese Art von
Menschenhaltung.
Von dem weiten Spektrum des Behandlungsvollzuges bis zur Wiedereingliederung der Menschen
gibt man indirekt vor, null Ahnung zu haben. Auch fehlt es am echten Interesse, dies zu
realisieren. Mit gewisser Hingabe beschäftigt man sich hier dann mit der
Nichtunterordnung von Gefangenen in das strenge Reglement des StVollz. Durch viele
Disziplinarstrafen, statt das Vollzugsleben zu ändern und ein Gleichgewicht herzustellen.
Der Sühnegedanken ist überall gegenwärtig, was viele so empfinden.
Der hohe Ausländeranteil und die totale Überbelegung tun ihr weiters in dieser Anstalt.
Der Vollzugsdienst besteht fast ausschließlich aus Bediensteten, die entweder schon immer
hier waren und sich gewendet" haben, oder anderem ostdeutschen Personal. Dies
soll kein Vorurteil sein, aber man merkt den gewaltigen Unterschied beim Vollzugspersonal.
Allerdings hängt es auch immer von dem einzelnen Charakter des jeweiligen Leiters einer
solchen Anstalt ab. Diese Anstalt (soll) ca. 2000 saniert werden. Waldheim gilt als
Mutteranstalt der deutschen Zuchthäuser und älteste noch" funktionierende
Justizvollzugs-anstalt Deutschlands. Somit werden dann viele Verschiebungen von Gefangenen
angesagt sein. Wenn man davon ausgehen kann, versteht man dann diese allgemeine
Lustlosigkeit am Vollzugsdienst, im Sinne von Behandlung und Wiedereingliederung und dem
Entgegenwirken der schädlichen Folgen der Haft.
In punkto Insassenvertretung höre ich von diesen Leuten auch eher Entmutigung. Wenn man
fragt, hat man den Eindruck, sie wären total überarbeitet. Man spricht so viele nicht
funktionierende Sachen beim Leiter an, aber ... Änderungen vollziehen sich so mühselig
oder gar nicht. So wie Ihr schreibt Durchsetzung von Genehmigungen", wozu man
ein gewisses selbstbewußtes Auftreten, Wissen und Konsequenz haben muß, ist mir
persönlich noch nicht aufgefallen. Es ist eher ein sehr vorsichtiges Abtasten. Man wagt
sich nicht weit genug vor, da es wahrscheinlich auch Kompromisse gibt? Was nun als
Außenstehender schlecht ergründen mag. Offenes Aufzeigen der wahren Hintergründe ist
nicht gegeben. Einige resignieren wegen den ewig wiederkehrenden Forderungen gegen
Mißstände in der Anstalt.
Wenn man demgegenüber Eure oder die Tegeler Insassenvertretung sich anschaut (durch die
Gefange-nenzeitung), fragt man sich, warum es hier nicht mit genausoviel Konsequenz
gehandhabt werden kann. Meiner Meinung nach müßten die Insassenvertretungen viel mehr
untereinander kooperieren und sich bei Problemlösungen der Allgemeinheit der Gefangenen
gegenseitig schriftlich unterstützen. Aber wer gibt gern zu, daß er weniger fähig ist,
aus welchen Gründen auch immer, die alltäglichen Probleme für alle zur Lösung zu
bringen.
Nun mal kurz zur sog. Ausgestaltung der Hafträume. In Eurem Schreiben vom 7.5.1998 hattet
Ihr geschrieben: 1. Gardinen sind grundsätzlich erlaubt. Wer hier welche hat - meist aus
Anstaltsstoffresten - macht sich diese mit Faden oder Nägeln über dem Fenster an. Wie
kann man es erreichen, daß man zu einer ordentlichen Gardine auch eine dazugehörige
Ringgarnitur oder Gardinenleiste bekommt gemäß StVollzG? Oder, wenn man keine
Bezugsperson hat, eine komplette Garnitur über den Fachhandel? 2. Stereoanlagen mit
Boxen, bis 2000.- und 3. CDI-Player. Ich wäre sehr an den Genehmigungsgründen des
Ministeriums und die Eurer Anstalt gemäß StVollzG interessiert, zur Genehmigung von
Anlagen, der Größe L:B:H: und vor allem Boxen (einzeln) wie viel und in welcher Größe?
Auf welche Weise könnte man dies auf unsere Anstalt übertragen ? Und auf welcher
Grundlage man CDI-Player zur Genehmigung bringen könnte, mit Film-CD? Es besteht hier in
der Anstalt kein TV-Anschluß auf dem Haftraum. Nur die früheren Fernsehräume, je
Station (ca. 90 Gefangene) einer, verfügen über einen Anschluß. Diese Fernsehräume
sind zu Hafträumen gemacht worden. Somit haben sich die Gefangenen illegal (geduldet) an
diese Dose geklemmt. Und diese Strippenknoterei zieht sich von Haftraum zu Haftraum. Ein
paar Weichen wurden auch illegal besorgt. So hat (fast) jeder Empfang, aber nicht die
Qualität. Wer nicht gerade gut angesehen ist, bekommt natürlich keine Gelegenheit, sich
anzuklemmen. Abhängigkeitsverhältnisse entstehen. Für Genehmigungsbegründungen bzw.
Absegnungen vom Ministerium, so wie der Anstalt, die diese Dinge aus diesen und diesen
Gründen genehmigen, wäre ich Euch dankbar. Dies sei mal was Allgemeines von uns.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Weigert
PS: Wenn Ihr wollt könnt Ihr dies Geschriebene mit in Eurer Zeitung verarbeiten.