Als ich im Jahre 1987 zum ersten Mal hinter diesen Gemäuern strandete,
war die (Knast-) Welt noch relativ in Ordnung. Seitdem ist nicht nur viel Wasser die Elbe
hinabgeflossen, sondern auch anderweitig haben sich Dinge ereignet, deren
Folgeerscheinungen" noch heute nachhaltig spürbar sind.
Obwohl quasi als Mitverursacher" eigentlich am wenigsten dazu prädestiniert,
kann ich's mir inzwischen jedoch nicht mehr verkneifen, nicht nur die Zustände in der
hiesigen Anstalt zu kritisieren, sondern und vor allem den Verantwortlichen, beim
einfachen Bediensteten angefangen bis hin zu den in vieler Hinsicht überforderten
Amtsträgern zu verdeutlichen, daß ihre derzeit propagierte Vollzugspolitik, schlicht und
einfach ausgedrückt, nur ein Schuß in den Ofen werden kann.
Denn, abgesehen von den vorhandenen (Schein-)Freiheiten, die der hamburgisch-liberale
Vollzug derzeit noch beinhaltet, die Tendenz weist in Richtung Rückschritt! Dies wird
nicht nur durch die Art und Weise dokumentiert, in der die Insassen zwischenzeitlich
miteinander umgehen, sondern in erster Linie durch die Art und Weise, wie die Anstalt und
auch die Justizbehörde seit längerem mit sogenannten Zuträgern" und
Informanten", im Knastjargon Ratten" genannt, umzugehen pflegen!
Ein weiterer Punkt in der negativen Auswirkung der derzeitigen Vollzugspolitk ist die
Tatsache, daß in diesem Gefängnis inzwischen mehr als die Hälfte der Insassen aus
europäischen oder internationalen Ländern kommen, was sich natürlich ziemlich
gravierend auf das aufgezwungene Zusammenleben in der Anstalt auswirkt und in welcher Form
dies ohne den notwendigen, internen" Einfluß zutage getreten ist, konnte man
in den letzten Jahren des öfteren feststellen, und wie meistens reagierte die Anstalt und
somit deren Vertreter, die hier im Hause in den verschiedensten Etagen verteilt sind,
zunächst fast schon symptomatisch falsch! Sicherlich werden sich genug Leute (oder
zumindest diejenigen, die es wollen) an die letzte Denunziantenaffäre" in
Hause erinnern, die erst durch einen Freispruch per Gerichtsverhandlung Anfang des Jahres
beendet wurde. In dem damaligen Fall ging es (wie meistens) darum, daß ein im Hause
bekannter Junkie, der nach einem Ausgang oder Urlaub nicht mehr zurückkam, nach seiner
Festnahme und Wiedereinlieferung aus der Isolation heraus auf einmal mehrere Leute
bezichtigte, in der Anstalt im großen Stil mit Drogen zu handeln, Geldgeschäfte zu
betreiben, andere unter Druck zu setzen ... usw., um damit seine Nichtrückkehr zu
begründen und zu entschuldigen.
Und, man sollte es nicht glauben, wie üblich stieß auch dieser Schmutzfuß auf offene
Ohren seitens der Behörde, die gierig jede noch so verlogene Scheiße aufsog und
postwendend versuchte, dem Hauptbeschuldigten daraus einen Strick zu drehen und ihn auf
die Anklagebank zerrte, wo dann jedoch sehr schnell offensichtlich wurde, daß die ganze
Geschichte erfunden und erlogen war.
Daß dieser arme, kranke Drogenabhängige" aufgrund seiner falschen Angaben
bereits kurz nachdem er diese an den richtigen Stellen zum Besten gegeben hatte, sofort in
die Freiheit entlassen wurde, scheint auch im nachhinein keinen zu stören, er ist noch
immer draußen und sucht wahrscheinlich nun dort nach den großen Bossen, die er drinnen
nicht hatte finden können.
Genauso wenig stören sich die Verantwortlichen daran, daß ein derart beschuldigter
Insasse meistens unverzüglich im Isolationstrakt verschwindet, wo ihm der Rest der schon
im Normalvollzug kaum vorhandenen Lebensqualität genommen und selbst seine Grundrechte
oftmals mit Füßen getreten werden und dort sein Dasein fristen muß, bis die
Angelegenheit per Gerichtstermin beendet wird, und das dauert meistens etliche Monate (der
Begriff Unschuldsvermutung" scheint auch den hiesigen Verantwortlichen ein
Fremdwort zu sein).
Daß dies von den entsprechenden Entscheidungsträgern billigend in Kauf genommen wird,
sagt an sich schon genug aus, daß sie sich aber auf diese Art und Weise selbst von den
miesesten Gestalten für deren Zwecke immer wieder benutzen lassen, wirkt auf mich mehr
als nur erschreckend.
Das aktuellste und leider auch peinlichste" Beispiel, welches die inzwischen
fast schon an Hilflosigkeit grenzende Unfähigkeit der Verantwortlichen mehr als nur
deutlich zum Vorscheinen brachte, war die erst kürzlich erfolgte Verlegung meines (und
sicher auch manch eines anderen ...) Freundes Zoran D. in die sogenannte
Abschirmstation" in Anstalt Ia.
Nicht in der Lage (oder nicht gewillt?), die wirklichen und richtigen Zusammenhänge und
Hintergründe zu erkennen, hatte die hiesige AL Zoran über die EWK nach Ia
abgeschoben, nachdem in diesem Fall einer seiner Landsleute die Denunziantentour
eingeschlagen hatte und sich nach Ablehnung seiner Verlegung in den offenen Vollzug
schnurstracks nach DI auf die Sicherheitsstation verlegen ließ, von wo aus er dann fast
schon in multikultureller" Ma-nier die üblichen Horrorgeschich-ten über
angeblichen Drogenhan-del ..., Erpressung ... usw. an der richtigen Stelle zum Besten gab
und so nun sicher hofft, sich auf diesem Wege doch noch in den offenen Vollzug zu
schleimen". (Da kann man nur hoffen, daß sich dessen Hoffnung schnellstens als
hoffnungslos erweist!)
Peinlich an sich ist die ganze Geschichte vor allem auch dahingehend, daß es sich bei
Zoran, abgesehen davon, daß er von Haus aus ein korrekter, gradliniger und großmütiger
Mensch ist, um eines der Mitglieder des sogenannten Schlichtungsrates" handelt,
der im tolerierenden Einvernehmen mit der Anstalt gebildet wurde und dessen Vorhandensein
und auch oder gerade dessen Aktivität" in der Vergangenheit in mancher
Hinsicht für mehr Ruhe und Korrektheit" im Hause gesorgt hat, als es die
oftmals unangebrachten und überzogenen Reaktionen der Verantwortlichen auch nur im Ansatz
und schon gar nicht längerfristig bewirkt hätten. Daß Zoran sich dadurch nicht nur
Freude geschaffen hat, müßte inzwischen eigentlich für jeden nachvollziehbar geworden
sein, und ich will hier und jetzt nur hoffen, daß dieser Groschen nun endlich auch bei
den Leuten gefallen ist, die nicht nur für die Verlegung meines Freundes verantwortlich
zeichnen, sondern und vor allem für deren Revidierung sorgen können! Darüber hinaus
scheinen die Verantwortlichen in der Anstalt wie auch im Vollzugsamt weiterhin nicht
wahrhaben zu wollen, daß in erster Linie ihre seit längerem praktizierte
Belegungspolitik die hauptsächliche Ursache für die immer wieder auftretenden
Querelen" darstellt, denn genauso unterschiedlich wie die oft extrem
differierenden Haftstrafen sind auch die Interessen" der einzelnen Gefangenen
und dementsprechend auch deren Bereitschaft zur Rücksichtnahme zum Wohle" der
Gemeinschaft.
Was mich jedoch immer wieder erstaunt ist die Tatsache, daß allgemein bekannte
Ratten", die bereits andere Insassen überfallen, Zellen aufgebrochen und wer
weiß wen alles abgezogen haben, sich nach wie vor frei im Haus bewegen können und nicht,
wie angeblich gefährliche" Leute, bis zur Klärung ihres miesen Verhaltens in
den Isotrakt wandern.
Letztlich, und auch dieser Aspekt scheint die maßgeblichen Entscheidungsträger nicht im
geringsten zu stören, sind es immer wieder die Langstrafen-Gefangenen, die sich durch ihr
persönliches Engagement" nicht nur der Gefahr, sondern auch der Willkür der
Verantwortlichen aussetzen, die, wie in Zoran`s Fall ersichtlich, bei manchen Gefangenen
nicht nur überzogen reagieren, sondern damit sogar regelrecht manch einen der inzwischen
zuhauf auftretenden Anscheißer animieren", sein mieses Verhalten
beizubehalten, und dies läßt letztlich wiederum nur den Schluß zu, daß diese
Spezies" von Häftling von der Justiz inzwischen regelrecht gezüchtet wird!
Vielleicht sollten sich die verantwortlichen Leute ganz einfach mal darüber klar werden,
daß in diesem Fall nicht Ratten ein sinkendes Schiff verlassen wollen, sondern dieses
Schiff eher, gerade erst wegen ihrer vielen Ratten, untergehen könnte!
G. Polak