Ökofaschismus und seine Konsequenzen
Über den Versuch der Enthronung der Menschen als Krone der Schöpfung
Martin Blumentritt
Wesentliches Moment jeder faschistischen Ideologie ist den wichtigsten Grundsatz
menschlichen Umgangs zu negieren, nämlich das Prinzip vorauszusetzen, daß
die Menschheit Krone der Schöpfung ist. Nach den Aufzeichnungen soll Hitler
1934 gesagt haben:
"Wir haben die Pflicht zu entvölkern, wie wir die Pflicht
der sachgemäßen Pflege der deutschen Bevölkerung haben. Es wird
eine Technik der Entvölkerung entwickelt werden müssen. Was heißt
entvölkern, werden Sie fragen. Ob ich ganzue Volksstämme beseitigen wolle?
Jawohl, so ungefähr, darauf wird es hinauslaufen. Die Natur ist grausam. Darum
dürfen wir es auch sein. (...) Nachdem so lange Jahrhunderte vom Schutz der
Armen gefaselt worden ist, mag es an der Zeit sein, sich zum Schutze der Starken
vor den Minderwertigen zu bekennen. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen
Politik für alle Zeiten sein, das weitere Wachstum der slawischen Völker
mit allen Mitteln zu verhindern. Der natürliche Instinkt gebietet jedem Lebewesen,
seinen Feind nicht bloß zu besiegen, sondern ihn zu vernichten. In früheren
Zeitaltern gab es das gute Recht des Siegers, ganze Stämme, ganze Völker
auszurotten."(Rausching, Gespräche mit Hitler 129f)
Und: "Wir beenden einen Irrweg der Menschheit. Die Tafeln vom Berge Sinai haben
ihre Gültigkeit verloren. Das Gewissen ist eine jüdische Erfindung."(a.a.O.S.
210)
Wogegen ist Hitler nun? Das Verbot Menschen zu töten, angefangen
vom Infantizid bis zu Gerontizid, ist eine der historischen Errungenschaften des
Judentums. "Du sollst nicht morden"(2.Mose 20:13 und 5. Mose 5:17) Neben
der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens gilt die Nächstenliebe (3.Mose
19:18) auch gegenüber Fremden: "Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem
Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer
unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst."(3.Mose 19:33f) Auch
folgt aus den universalen Prinzipien ein Antirassismus: "Seid ihr Kinder Israels
miir nicht gleichwie die Mohren? spricht der Herr. Habe ich nicht Israel aus Ägyptenland
geführt und die Philister aus Kaphtor und die Aramäer aus Kir."(Amos
9:7)
Hitler erkannte in der jüdischen Ethik den genauen Gegenpol seines Sozialdarwinismus.
Das Gesetz des Judentums bricht das Gesetz der Natur. Dagegen stellt sich Hitler,
der sich gegen die Juden auf die Natur beruft:
"Die jüdische Lehre des Marxismus lehnt das aristokratische
Prinzip der Natur ab und setzt an Stelle des ewigen Vorrechts der Kraft und Stärke
die Masse der Zahl und ihr totes Gewicht. Sie leugnet so im Menschen den Wert der
Person, bestreitet die Bedeutung von Volkstum und Rasse und entzieht der Menschheit
damit die Voraussetzung ihres Bestehens und ihrer Kultur. Sie würde als Grundlage
des Universums zum Ende jeder gedanklich für Menschen faßlichen Ordnung
führen. Und so wie in diesem größten erkennbaren Organismus nur
Chaos das Ergebnis der Anwendung eines solchen Gesetzes sein könnte, so auf
der Erde für die Bewohner dieses Sternes nur ihr eigener Untergang.
Siegt der Jude mit Hilfe seines marxistischen Glaubensbekenntnisses über die
Völker dieser Welt, dann wird seine Krone der Totenkranz der Menschheit sein,
dann wird dieser Planet wieder wie einst vor Jahrmillionen menschenleer durch den
Äther ziehen.
Die ewige Natur rächt unerbittlich die Übertretung ihrer Gebote. So glaube
ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln:
Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn."(Mein
Kampf, S. 69f)
Wäre der Mensch nicht ein Wesen, das zurecht als Krone der Schöpfung
zu gelten hat, mit einem absoluten Wert (Würde) ausgestattet, dann wäre
der Massenmord in den Konzentrationslager kein Exzess mehr, sondern durchgehende
Normalität menschlicher Praxis und es gebe keinerlei Einwände, massenweise
Menschen abzuschlachten. Denn Tiere gelten als Nahrungs- und Lebensmittel und werden
zu diesem Zweck in Massen geschlachtet, jeden Tag auf der ganzen Welt. Die gewichtige
Unterscheidung zwischen Menschen und Tieren festzuhalten und hochzuhalten, ist die
höchste moralische Verpflichtung jedes Menschen.
Ökofaschismus ist die Naturalisierung des Menschen ohne Humanisierung der
Natur, die Übertragungg vermeintlich natürlicher Regeln auf soziale
Verhältnisse. Aus Regeln menschenloser Natur sollen Verhaltensvorschriften
für soziale Prozesse abgeleitet werden. Die Regeln allerdings, mit denen Menschen
ihre Praxis begrenzen müssen, setzen die Fähigkeiten voraus, die weder
Tiere noch Pflanzen kennen: Selbstreflektion, Selbstbestimmung und Emanzipation.
Der Ökofaschismus tendiert dazu, Naturschutz und Ökologie zum Kampfbegriff
gegen die Emanzipation des Menschen zu machen. Die Forderungen sind nur in einem
totalen Staat zu erfüllen. Denn nur autoritäre Zwangsgewalt vermag etwas
Forderungen umzusetzen, wie die "die Natur vor den Menschen zu schützen".
Der Ökofaschismus ist die Modernisierung des Nationalsozialismus. Sie knüpft
am ideologischen Alltagsbewußtsein an, das sich an oberflächlichen Erscheinungen
realer ökologischer Probleme festmacht. Die Zerstörung der menschlichen
Existenzbedingungen - und nur sofern kann von Umwelt des Menschen die Rede sein,
daß seine Existenzbedingungen gemeint sind - wird ausgenutzt, um Bauernfängerei
zu betreiben. Dem kommt ein leichtsinniges Alltagsbewußtsein und naturwissenschaftliches
Halbwissen zugute, das meint der Mensch sei an den Katastrophen schuld, weil er
sich für die Krone der Schöpfung halte. Damit wird von den eigentlichen
Problemen, die im System der politischen Ökonomie liegen, abgelenkt. Und es
wird eine menschenfeindliche Ideologie progagiert, nach der der Mensch nur noch
ein Lebewesen wie alle anderen ist und dem allgemeinen Fressen und Gefressenwerden
untergeordnet.
Dies geht so weit, daß in Zeitschriften von sog. Erdbefreiern Aids gefeiert
wird als Mittel zu Dezimierung des größten Schädlings: des Menschen
oder gar die Atombombe als Befreiung bezeichnet wird. Die Menschen sollen sich demnach
von Heuschrecken auffressen, ihre Wohnung als Bioregion Kakerlaken überlassen
und Impfungen gefälligst unterlassen, damit die Pockenviren nicht aussterben.
Die ökofaschistichen, biozentristische Ideologie lügt sich allerdings
in die Tasche, da die außermenschliche Natur gar keine "natürlichen"
Verbote kennt, Tiere oder gar Pflanzen zu essen, die Natur kennt auch keinen Naturschutz.
Die Tiere fressen alles auf, ohne Rücksicht auf Verluste und kennen keine Vorsorge
für spätere Generationen.
Erst im Menschen kommt die Natur zum Selbstbewußtsein. Der Mensch ist bewußt
geworde Natur. Dazu mußte er sich mit aller Gewalt gegen die Naturzwänge
wehren. Die Urmenschen hatten Furcht vor Blitz und Donner, weil sie nicht um die
Wirkungsweise wußten. Sie standen mit bloßen Händen vor einer gewaltigen
Natur, gegen die sie nichts ausrichten können. Heute geschehen vom Menschen
produzierte Veränderungen in Geschwindigkeiten, für die die Natur Millionen
von Jahren benötigte.
Die Natur ist keineswegs zimperlich, Arten kommen und gehen, Berge türmen sich
auf, wie sie auch wieder verschwinden. Seit einigen Jahrzehnten werden wir von Literatur
überflutet, die vor der "Vergewaltigung" der Erde warnt, vor der
"Plünderung des Planeten", dem Problem einer angeblichen Überbevölkerung.
Die Prognosen sind nicht eingetreten, man kann trotz dem Wahnvorstellugnen vom "Waldstreben"(für
das es außerhalb der deutschen Sprache kein Wort gibt, so daß man im
Ausland es unübersetzt läßt, wenn man sich darüber lustig macht),
immer noch in Wäldern spazieren gehen. Das liegt auch daran, daß eindringlich
Panik gemacht wurde, wogegen nichts spricht, solange der Mensch als Krone der Schöpfung
Prinzip des ökologischen Bewußtseins bleibt.
Ökofaschismus unterscheidet sich von kritischer Ökologie dadurch, daß
jener dem Menschen seine Rolle als Krone der Schöpfung, seine Menschenwürde
streitig macht, während diese sich Sorgen um die natürlichen Voraussetzungen
menschlicher Existenz Sorgen macht und diese zum Zweck von Politik erhebt.
Sollen die Naturkreisläufe im Interesse des Menschen intakt bleiben oder verbessert
werden, dann wird man nicht darum herumkommen, das menschliche Überlebensinteresse
im Vordergrund zu sehen, nicht das von Insekten, die auch mit einer weniger komplexen
Umwelt zufrieden sind als der Mensch.
Aus der Negation der Menschenwürde, die dem Menschen seine Rolle als Krone
der Schöpfung streitig macht, folgt konsequenzlogisch die gesamte faschistische
Ideologie, deren beide wichtigsten Prinzipien, die Maximierung der Ungleichheit
und das Recht des Stärksten ist.
Maximierung von Ungleichheit
"Bestehende oder auch eingebildete Ungleichheiten (völkisch,
sprachlich, geschlechtlich etc.) werden als natürliche unveränderliche,
qualitativ und moralisch verschiedene (besser vs. schlechter) prinzipielle Unterscheidungen
hervorgehoben, übertreiben, verschärft und zu unumstößlichen
Wertkategorien erhöht."(Friedrich Hacker das Faschismussyndrom, S. 35)
Die Menschen sind, wenn man sie kontrastiert mit den Tieren, alle gleichwertig,
jenseits von Unterschieden, die das Menschsein nicht betreffen. Gleich welches Geschlecht
sie haben, welche Sprache sie sprechen, gleich welcher Staatsangehörigkeit
sie untergeordnet werden, gleich wo sie geboren wurden, sie sind bestimmt durch
das, was sie vom Tierreich abhebt, ein selbstbewußtes Sein, das sich sprachlich
artikulieren kann, das sich eine gesellschaftliche zweite Natur schafft, die wesentlich
bestimmt ist durch Prinzipien und Gegebenheiten, die Menschenwerk sind. Als Menschen
zu identifizieren sind Menschen nur, indem man sie von den Tieren wesensmäßig
unterscheidet. Jeder Mensch gilt als "absoluter Wert" (Würde) und
die Menschheit in ihm muß immer als Selbstzweck anerkannt werden, so daß
er niemals als bloßes Mittel behandelt werden darf. Dieses Mimimum an Moralvorstellungen
ist unhintergehbar. Seine Negation hat den Massenmord zur logischen Konsequenz.
Sobald die Gleichheit aller Menschen, keine bloßen Tiere zu sein, negiert
wird, ist das Tötungsverbot suspendiert und es würde nichts mehr dagegen
sprechen, Menschen zum Freiwild zu erklären, weil sie zu einem radikal Anderen
erklärt werden.
Rasseneinteilungen, so erklärten die Nazis selbst, sind völlig irrational.
So heißt es 1940 in der SS-Zeitschrift Schwarzer Korps:
"Die maßgeblichen Erwecker unseres Rassebewußtseins,
angefangen vom Grafen Gobieau über H.St.Chamberlain bis Adolf Hitler und Alfred
Rosenberg haben sich niemals auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse berufen, sondern
sie sind der Stimme des eigenen Blutes gefolgt."(29.8.1940 S.1)
Recht des Stärkeren
"Auf der Grundlage der eben beschriebenen Maximierung von Ungleichheit
werden streng hierarchisch gegliederte, meist pyramiedenförmige Herrschaftsstrukturen
als angeblich natürlicher Ausdruck gegebener Überlegenheit und Unterlegenheit
gesellschaftlich organisiert."(Hacker, S. 40)
Das faschistische Bewußtsein betont sozialdarwinistisch den Kampf
und rechtfertigt die Herrscher als die Überlegenen, während die Unterliegenden
vernichtet werden dürfen. Darwin selbst weigert sich solche Prinzipien auf
den Menschen anzuwenden, weil sonst das Beste am Menschen verloren ginge.
An den beiden Elementen des Faschismussyndrom zeigt es sich, wie immens wichtig
es ist, an der moralischen Norm der Anerkennung des Menschen als Krone der Schöpfung
festzuhalten. Gelten alle Menschen als absoluter Wert als gleichwertig im Gegensatz
zu den Tieren, die nur einen relativen Wert besitzen, dann ist jeder Versuch der
Maximierung der Ungleichheit durch nationalistische, rassistische oder antisemitisische
Ideologie der Weg strikt verbaut.
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Most recent revision: April 07, 1998
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