Die 'Konservative Revolution'- Kritik eines Mythos
Kritisiert wird der Versuch, verschiedene Autoren des rechten Spektrums der Weimarer Republik unter dem Oberbegriff einer 'Konservativen Revolution' zusammenzufassen und diese zu einer eigenständigen politischen Strömung zu stdisieren, die dem Konservatismus, Liberalismus und Sozialismus gleichrangig an die Seite zu stellen wäre. Die einzige Gemeinsamke*, die Spengler, Schmitt, Jung, Freyer, Moeller, Niekisch, Jünger und den 'Tat'-Kreis verbindet, ist die Kritik am politischen Liberalismus; eben diese aberfindet sich auch bei anderen politischen Strömungen. Ein Kernbestand sozialer, wirtschaftlicher und politischer Doktrinen, der nur den Autoren der 'Konservativen Revolution' eigen wäre, ist nicht auszumachen. Als ein polemischer, eine unverwechselbare Identität bezeichnender Begriff läßt sich die 'Konservative Revolution' nicht aufrechterhalten.
Der Begriff'KonservaÜve Revolution' hat sich in der politischen Ideengeschichte einen festen Platz erobert. In seinem Ursprung eher die Bezeichnung für eine noch zu bewältigende Aufgabe, ist er vor allem durch die inzwischen in dritter Auflage erschienene Studie von Armin Mohler zu einem wissenschaftlichen Ordnungsbegriff avanciert, der zahlreiche Monographien angeregt hat und bis in die Handbücher vorgedrungen ist - kein geringer Erfolg für ein Buch, das sich nur als "eine vorläufige und notwendig unvollkommene Zusammenfassung" verstand und den Schwerpunkt bewußt auf die bibliographische Erschließung legte. Obwohl Mohler die beträchtlichen Differenzen zwischen den verschiedenen Exponenten sah, war er doch fest davon überzeugt, es mit einem eigenständigen Gebilde, einer Strömung politischen Denkens zu tun zu haben, die einen ähnlichen Rang beanspruchen konnte wie der Altkonservatismus, der Liberalismus oder der Sozialismus (Mohler 1989, I: 3).
Mohler gelangte zu diesem Ergebnis jedoch nur, wie er selbst einräumt, "auf dem Wege der Abstraktion". Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn er die richtigen Abstraktionen gefunden hätte - Abstraktionen, die es erlaubt hätten, in schrittweiser Annäherung zum Konkreten aufzusteigen, liegt doch in diesem Verfahren nach Hegel allein die Möglichkeit der Entwicklung. Davon sind die von Mohler herausgearbeiteten Axiome indes weit entfernt: sie ermöglichen keinerlei Entwicklung konkreter Positionen zu den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen der Zeit, sondern bieten lediglich vage'Leitbilder', deren Verbindlichkeit für die einzelnen Autoren obendrein höchst zweifelhaft ist (1). Einen Versuch, diese Leitbilder mit den konkreten "Auffassungen von Sitte und Recht, von Staat und Gesellschaft, von Wirtschaft und Kultur" zu vermitteln, hat Mohler gar nicht erst unternommen; ja er bekennt, daß außerhalb der Axiome bereits "die durch Bedingtheiten mannigfachster Art ... verursachten Unterschiede (beginnen)" - was nichts anderes heißt, als daß die 'Konservative Revolution' nur dann als Einheit erscheint, wenn man von all dem absieht, was eine politische Theorie nun einmal ausmacht (Mohler 1989,1:126).
Ich denke allerdings, daß es auch mit besseren Abstraktionen nicht gelingen wird, die 'Konservative Revolution' als ein, wenn schon nicht logisch konsistentes, so doch wenigstens gegenüber anderen Strömungen abgrenzbares Gebilde zu begründen. Die 'Konservative Revolution', so behaupte ich, ist ein Mythos, eine Fiktion, die sich im gleichen Maße auflöst, in dem man die von Mohler ausgegrenzten Stellungnahmen ihrer Protagonisten zu den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen der Zwischenkriegszeit einbezieht. Dies soll im folgenden anhand einiger zentraler Problemzonen erhärtet werden: der Stellung zum Liberalismus (I, II); zum nationalistischen und völkischen Denken (III, IV); zur politischen Binnengliederung (V) und zur Außenpolitik (VI). Um die Darstellung in einem vertretbaren Umfang zu halten, war eine Beschränkung der Autorenauswahl unumgänglich; ich hoffe aber, daß die Qualität der herangezogenen Autoren die mangelnde Quantität wettmacht.
Keine andere Erscheinung des politischen Lebens nach 1918 hat auf der Rechten soviel Haß und Verachtung auf sich gezogen wie der Liberalismus. Stein des Anstoßes waren dabei nicht die liberalen Parteien, die schon im Kaiserreich einen kontinuierlichen Schrumpfungsprozeß erlebt hatten und gegen Ende der Weimarer Republik gerade noch drei Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnten. Gegenstand der nicht abreißenden Polemik war weit eher, was man als Geist oder Prinzip des Liberalismus ansah: das parlamentarische System, die Herrschaft der Legislative, den Parteienpluralismus, die Welt der Verträge und Abstimmungen. Liberalismus - das war Weimar mit seinem Verfassungskompromiß, der der Sozialdemokratie Einflußmöglichkeiten auf den Staatsapparat eröffnete; das war der sozialpolitische Fundamentalkompromiß, der die Gewerkschaften zu Tarifpartnern der Unternehmer erhob; und das war nicht zuletzt auch Versailles mit seinen allenthalben als demütigend empfundenen Bedingungen.
Der erste, der diese an sich höchst disparaten Phänomene wirkungsvoll zu verknüpfen und dem Liberalismus anzulasten verstand, war Oswald Spengler. Für Spengler war der Liberalismus einerseits ein universelles Stadium, das aus dem Ubergang von der 'Kultur' zur 'Zivilisation', der Herrschaft des Geldes, der großstädtischen Massen und der Parteien folgte (Spengler 1973:1060-1064,1120-1130), andererseits eine spezifisch englische Erscheinung, die nur unter den besonderen Bedingungen Englands - Insellage, Wikingergeist, puritanische Selbstgewißheit etc. - erfolgreich war. Während die liberal-parlamentarische Form in England die Herrschaft einer geschlossenen society über den Staat sicherte, brachte sie auf dem Kontinent, wo diese Voraussetzung fehlte, nur Anarchie und Zerstörung hervor, eine Revolution in Permanenz, die zur Nivellierung der Gesellschaft und zur Dekomposition des Staates führte (Spengler 1924: 55-64). Besonders in Deutschland, wo der Staat von jeher das einheitsstiftende Prinzip war, wirkte sich die Nachahmung des englischen Vorbilds verhängnisvoll aus. Die "unsichtbare englische Armee, die Napoleon seit Jena auf deutschem Boden zurückgelassen hatte", untergrub die Autorität des Staates, verwandelte die disziplinierte Arbeiterbewegung in eine wilde Lohnpolitik einzelner Gruppen und bereitete endlich den Boden Mr die Revolution, die mit der Friedensresolution der Mehrheitsparteien vom Juli 1917 begann. Letzten Endes, so Spenglers Fazit, war es der Geist des Liberalismus, "der das 'innere England' der Mehrheitsparteien zu jener parlamentarischen Revolution von 1917 zusammenfaßte, die dem äußeren England der Ententemächte durch den Sturz des Staates den Endsieg gesichert hat" (1924: 5, 46, 67).
Auch Moeller van den Bruck kritisierte die Revolution vor allem deshalb, weil sie eine liberale Revolution war. Im Unterschied zu Spengler lehnte er zwar die Revolution nicht schlechterdings ab, erschien ihm doch die vorangegangene wilhelminische Epoche als durchaus hohl und leer, ja geradezu als abscheulich. Gleichwohl sprach auch er von einer falschen und halben Revolution: falsch, weil sie in einer Ubernahme westlich-parlamentarischer Muster bestand; halb, weil sie das Problem der nationalen Integration nicht gelöst hatte. Eine solche Integration war nötig, da Deutschland durch die Niederlage im Weltkrieg in das Lager der unterdrückten Nationen geraten, mehr noch: zur unterdrücktesten Nation überhaupt geworden war (Moeller van den Bruck 1938: 25,162). Sie war indes unter liberalem Vorzeichen nicht möglich, weil der Liberalismus die Gemeinschaft durch Gesellschaft ersetzte, Trennungen zwischen den Angehörigen desselben Volkes aufriß und das Land in innenpolitische Konflikte stürzte, anstatt es zu einer machtvollen Außenpolitik zusammenzuschweißen. Wenn Deutschland sich nicht vom Westen losriß, wenn es nicht im Liberalismus den 'Feind' erkannte, war seine Proletarisierung und damit sein Untergang unabwendbar. "An Liberalismus gehen die Völker zu Grunde" (1938: 82, 131, 102).
Der dritte und sicherlich kenntnisreichste Angriff gegen den Liberalismus wurde von Carl Schmitt vorgetragen. In seiner Schrift Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus (1923) arbeitete Schmitt zunächst die zentrale Stellung der Diskussion im liberalen System heraus und zeigte, wie daraus die Forderungen nach Öffentlichkeit des politischen Lebens und nach Gewaltenteilung erwuchsen. Seine weitere Argumentation zielte auf den Nachweis, daß durch die Beteiligung der Volksvertretung an der Regierung die Gewaltenteilung und mit ihr die alte Idee des Parlamentarismus aufgehoben werde. Echte diskursive Willensbildung, meinte Schmitt, gebe es in der modernen Massendemokratie nicht mehr. Die gesellschaftliche Wirklichkeit sei bestimmt durch organisierte Interessen, unter deren Regime sich "alle öffentlichen Angelegenheiten in Beute- und Kompromißobjekte von Parteien und Gefolgschaften verwandeln und die Politik, weit davon entfernt, die Angelegenheit einer Elite zu sein, zu dem ziemlich verachteten Geschäft einer ziemlich verachteten Klasse von Menschen geworden ist" (Schmitt 1969: 8). Da man gleichwohl an der parlamentarischen Regierungsform festhalte, bestehe die Gefahr, daß entweder Exekutive und Legislative durch den Parteienpluralismus mehrheits- und handlungsunfähig würden, "oder aber, daß die jeweilige Mehrheit alle legalen Möglichkeiten als Werkzeuge und Sicherungsmittel ihres Machtbesitzes gebraucht, die Zeit ihrer staatlichen Macht nach allen Richtungen ausnützt und vor allem dem stärksten und gefährlichsten Gegner nach Möglichkeit die Chance zu beschränken sucht, das gleiche zu tun" (Schmitt 1969a: 89).
Ein Blick auf die übrigen, gemeinhin zur 'Konservativen Revolution' gerechneten Autoren zeigt, daß sie diesen Argumenten nichts Neues hinzuzufügen hatten. Edgar Jung paraphrasierte lediglich die Ansichten Spenglers, Moellers und Schmitts, wenn er als Folge des Liberalismus den Weg in die Anarchie oder den Absolutismus der Mehrheit benannte (Jung 1930: 225-226). Der Tat-Kreis berief sich auf Schmitt und Spengler, als er den Zusammenbruch der liberalistischen Formen und das Ende der Parteien diagnostizierte (Die Tat 1932-1933, 1: 77, 1929-1930, II: 567-568). Spengler verpflichtet blieb Hans Freyer, der die permanente Revolution - die 'Revolution von links' - auf den Liberalismus zurückführte (1931: 9); und auch Ernst Jünger zeigte sich nicht eben originell, als er das endlose bürgerliche Gespräch verspottete und die Notwendigkeit einer "Vernichtung der liberalen Deckschicht" postulierte, "die im Grunde nicht mehr als eine Beschleunigung ihrer Selbstvernichtung" sei (1932: 26, 188). Wenn sich die 'konservativen Revolutionäre' in etwas einig waren, dann in der Diagnose, daß sich der Liberalismus in der Agonie befand und daß eben dies die Ursache der perennierenden Krise war. Hier aktive Sterbehilfe zu leisten, war man nur zu gerne bereit.

II.
Diese Einmütigkeit endete allerdings schon bei der Frage, ob die Kritik am politischen Liberalismus auch auf den Wirtschaftsliberalismus ausgedehnt werden sollte. Zwar trat für den Kapitalismus kaum jemand offen ein. "Wir sind Sozialisten", posaunte Spengler, und Moeller van den Bruck rief gar zum Krieg gegen die "Weltbourgeoisie" auf (Spengler 1924: 103; Moeller van den Bruck 1938: 185). Sieht man jedoch näher zu, so entdeckt man rasch, daß nur ein Teil der 'konservativen Revolutionäre' bereit war, aus den antikapitalistischen Prämissen die notwendigen Konklusionen zu ziehen. Ein anderer Teil hatte dagegen keine Schwierigkeiten, das sozialistische Vokabular mit Vorstellungen zu vereinigen, die im Kern liberal, und zwar manchester-liberal waren. Zu dieser letzteren Gruppe zählten Spengler, Moeller van den Bruck, Edgar Jung und Carl Schmitt. Spenglers Kunstgriff bestand darin, den Sozialismus zu einer Form des Willens zur Macht, zur Herrschaft über die Erde zu deklarieren und diese dann in Untertypen zu gliedern, die sich nach den jeweils bevorzugten Mitteln bestimmten. Der spanische Ultramontanismus wurde dadurch zum Sozialismus der Kirche, der englische Kapitalismus zum Sozialismus des Geldes, das Preußentum zum Sozialismus des Staates (Spengler 1924: 88). Für jemand, der keine Bedenken hatte, mit Blick auf die Yankees von 'Milliardärsozialismus' zu sprechen, war es ein leichtes, der Arbeiterbewegung vorzurechnen, daß der von ihr vertretene Sozialismus nur ein 'Kapitalismus von unten' sei, der sich vom Börsen- und Finanzkapitalismus nur durch seine rein negativen Wirkungen unterscheide (Spengler 1924: 45; 1933: 137). Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit erschienen Spengler als direkte Folge dieses Arbeitersozialismus, der überall in den Industrieländern zu Lohndiktat und'Steuerbolschewismus' geführt und die Unternehmer in den Ruin getrieben habe (1933: 112, 119). Angesichts dieser eindeutigen Schuldzuweisung wundert es nicht, daß der von Spengler verkündete echte, d.h. preußische Sozialismus ausgesprochen liberale Züge trug: setze dieser Sozialismus doch "eine Privatwirtschaft mit ihrer altgermanischen Freude an Macht und Beute voraus" (1932, VIII-XI), welche nicht durch dirigistische Eingriffe, teure Soziallasten und vor allem nicht durch erpresserische Gewerkschaften beeinträchtigt werden dürfe. Der preußische Stil, so erläuterte Spengler, fordere wohl den Vorrang der großen Politik vor der Wirtschaft, jedoch keineswegs die "parteimäßige, programmatische Organisation und Uberorganisation bis zur Aufhebung der Idee des Eigentums, welche gerade unter germanischen Völkern Freiheit des wirtschaftlichen Willens und Herrschaft über das Eigene bedeutet. 'Disziplinierung' ist die Schulung eines Rassepferdes durch einen erfahrenen Reiter und nicht die Pressung des lebendigen Wirtschaftskörpers in ein planwirtschaftliches Korsett oder seine Verwandlung in eine taktmäßig klappernde Maschine" (Spengler 1933: 138).
Spenglers Uberzeugung, eine gesunde Wirtschaft sei nur auf der Basis der ungeschmälerten Privatautonomie möglich, fand in den Kreisen der 'Konservativen Revolution' breiten Widerhall. Für Moeller, der immerhin mit dem Gedanken einer körperschaftlichen Gliederung der Wirtschaft spielte, stand der Primat des kapitalistischen Unternehmers dennoch fest, weil die Gliederung der Menschheit in eine aktiv-führende und eine bloß ausführende Klasse letztlich biologisch begründet sei (1938: 67, 132). Eine ähnliche Heroisierung des Unternehmertums fand sich bei M.H. Boehm, Wilhelm Stapel, Heinrich v. Gleichen oder Walther Schotte, die allesamt die Rolle des Kampfes im wirtschaftlichen Leben betonten und damit nicht selten eine heftige Ablehnung des Sozialstaates verbanden (Gerstenberger 1969: 54-58; Kondylis 1986: 485-490). Auch Carl Schmitt ließ, bei aller Kritik am liberalen Parlamentarismus, an seiner grundsätzlichen Option für die liberale Trennung von Staat und Gesellschaft und für die Freiheit des Privateigentums keinen Zweifel. So forderte er etwa eine stabile Autorität, "um die notwendigen Entpolitisierungen vorzunehmen und, aus dem totalen Staat heraus, wieder freie Sphären und Lebensgebiete zu gewinnen", und so plädierte er für eine Stärkung derjenigen Elemente der Weimarer Verfassung, die auf eine "substanzhafte Ordnung" zielten - worunter nach Schmitt insbesondere die Institute der Ehe, der Religionsfreiheit und des Privateigentums zu verstehen waren (Schmitt 1973: 340, 344, 198). Noch deutlicher wurde das liberale Credo bei Jung, der eine drastische Reduktion des wirtschafts- und sozialpolitischen Engagements des Staates befürwortete, die Sozialpolitik durch Erziehung zur Selbstverantwortlichkeit ersetzen und Rechtsbezirke schaffen wollte, "die mit solchen Schutzwällen umgeben sind, daß auch staatliche Willkür ihre Ubersteigung nicht wagen dar£" Jung wollte zwar den vor dem Staat geschützten gesellschaftlichen Raum durch allerlei 'natürliche Verbände' organisch gegliedert wissen und nicht einfach dem laissez-faire überlassen; seine Forderung nach der Erneuerung der "natürlichen Doppelung von Gesellschaft und Staat" indes entsprach so weitgehend frühliberalen Vorstellungen, daß das organizistische Vokabular als durchaus überflüssige Beigabe erscheint (Jung 1930: 479, 448, 451-453,302-303, 157).
Communis opinio war diese Ansicht allerdings mitnichten. Eine weitaus positivere, berücksichtigt man den Kontext: geradezu enthusiastische Einschätzung des Soialstaates kam von Hans Freyer, der im Arbeitsrecht, im System der sozialen Sicherung .nd der Tarifparteien ein neues Ordnungsprinzip entdeckte, das eine Uberwindung er auf Abstraktion und Entfremdung gegründeten Industriegesellschaft ermöglichte. )ie Sozialpolitik - und damit meinte Freyer nicht die von oben gewährte, sondern ~ie von unten erkämpfte - habe dem sinnlos gewordenen Ganzen einen neuen Sinn erliehen und es geschafft, "dem Menschen sein Menschentum zu garantieren und, wo es verloren gegangen ist, es ihm wiederzugewinnen" (Freyer 1931: 30, 28-29); sie habe dadurch ein neues Subjekt der Geschichte erzeugt, das nicht mehr im egoistischen 'rivatinteresse wurzele, sondern das Ganze wolle: das Volk (1931: 36-37). Was Freyer unter diesem neuen Subjekt verstand, war zwar nicht sehr klar; klar war jedoch, daß die von ihm propagierte Revolution von rechts in der "Einswerdung von Volk und Staat" (1931: 62) bestehen sollte, nicht in der Erneuerung frühliberaler Trennungen. Und klar war auch, daß das "Soziale" nicht etwa abgebaut, sondern eingebaut werden sollte. "Aber die Tatsache Sozialpolitik überhaupt ist, einmal gewonnen, durch keine Reaktion wieder wegzubringen" (1931: 68). Freyer sprach sich deshalb eindeutig für einen Staatssozialismus aus, der die Voraussetzung dafür schaffen sollte, "daß das Kraftfeld des Volks von den heterogenen Querschlägen der industriellen Gesellschaft reigemacht wird, und daß dadurch das Volk, Herr seiner Welt, zum politischen Subjekt, zum Subjekt seiner Geschichte wird" (1931: 67).
Besondere Zustimmung fand Freyer bei der Tat, die seit Ende der zwanziger Jahre ähnliche Vorstellungen vertrat, in einzelnen Forderungen aber sehr viel weiter ging Die Tat 1931-1932, 1: 241). Hans Zehrer, ihr leitender Redakteur, war fest davon überzeugt, daß die notwendige Erneuerung der Staatsidee auf Kosten der kapitalistischen Wirtschaft gehen, d.h. antikapitalistische und staatssozialistische Züge tragen werde (1930-1931, I: 168). Für Zehrer schloß dies immerhin die Verstaatlichung der D-Banken und der 'Urproduktion' (Eisen, Kohle, Kali, Chemie) ein, außerdem eine grundlegende Neuordnung des Kapitalbesitzes durch Vermögens- und Erbschaftssteuern und eine Aktienreform. Ferdinand Fried, der führende Wirtschaftsredakteur, ergänzte diesen Katalog um die Forderung nach Zerschlagung des Großgrundbesitzes, genossenschaftlicher Durchorganisierung der Bauernschaft, staatlicher Aufsicht und Controlle über die gesamte Getreide- und Viehwirtschaft, Einschränkung oder Aufhebung der Gewerbefreiheit und staatlicher Monopolisierung des Außenhandels (1929-1930, 1: 39, 1931-1932, 1:383; Fritzsche 1976: 168, 175-176). Dies alles sollte nicht auf dem Wege der Revolution, sondern dem der Evolution durchgesetzt werden; es sollte auch nicht dem Marxismus dienen, sondern im Gegenteil den "Gegenschlag des Bürgertums gegen den Marxismus" vorbereiten. Dazu aber war nach Zehrer eine völlig andere Politik vonnöten, als sie die bürgerlichen Parteien bislang betrieben hatten:
"Man muß sich heute über eines restlos klar sein: wenn dieser bürgerliche Gegenschlag nicht auf einer so breiten Front erfolgt, daß er einen Teil des marxistischen Programms und damit auch einen großen Teil der Arbeiterschaft mitumfaßt; wenn er nicht zugleich einen Teil dessen verwirklicht, auf das die Sozialdemokraten im Jahre 1919 kampflos verzichtet haben, wenn er nicht eine neue und typisch-deutsche Form der staatlichen und wirtschaftlichen Verfassung schafft, dann erleben wir in zwanzig oder in dreißig Jahren einen Gegenschlag, den wir uns heute noch nicht träumen lassen. Wenn die heutige Chance - vielleicht die letzte! - verpaßt oder durch übereilte Aktionen überspitzt wird; wenn heute von oben versucht werden sollte, was nur von unten heraufwachsen kann; wenn heute nicht begriffen werden sollte, daß die Zukunft lediglich durch den wirtschaftlichen Akzent entschieden wird, den man der heutigen Entwicklung gibt, dann schaufelt sich die Mittelklasse ihr eigenes Grab!" (1929-1930, II: 654).
Wiederum anders, nämlich mit scharfer Spitze gegen die bürgerliche Welt, argumentierten Niekisch und Jünger. Niekisch, der unter den Weimarer Intellektuellen wohl über das größte Talent verfügte, sich zwischen alle Stühle zu setzen, brachte es fertig, sowohl das Privateigentum zu negieren als auch den Wohlfahrtsstaat als 'eiterndes Geschwür' zu attackieren, das den deutschen Staat zernage und zerfresse (Niekisch 1930: 123-124, 65). Jünger, der eine Zeitlang in Mekischs Zeitschrift Widerstand publizierte, räumte dem Sozialen immerhin eine gewisse Funktion ein, da es durch Mvellierung und Mobilisierung dazu beitrage, dem heraufziehenden Arbeitsstaat den Boden zu bereiten. Ob es in diesem dann Privateigentum geben würde oder nicht, erschien ihm als untergeordnete Frage. Zwar meinte Jünger mit Bezug auf die Erfahrungen der Sowjetunion, daß die völlige Brechung der Privatinitiative einen Aufwand erfordere, der durch keinen Ertrag gerechtfertigt werde; doch sei dieser Aufwand schon deswegen überflüssig, weil das Privateigentum durch die staatlichen Arbeits- und Mobilmachungspläne ohnehin in einer Weise funktionalisiert und relativiert werde, daß von Autonomie keine Rede mehr sein könne. Im totalen Arbeitsstaat, der heute im Entstehen begriffen sei werde "jeder Art der Initiative und des Eigentums die mehr oder minder deutliche Eigenschaft eines Lehens gegeben" (Jünger 1932: 283). Dies sei die überlegenste Art, es der liberalen Initiative zu entziehen: es als eine untergeordnete Tatsache in einen Gesamtzustand einzubetten, der durch die absolute Dominanz des Staates, seine Verfügung über die Produktionsmittel höchsten Rangs, gekennzeichnet war: "entscheidend ist nicht, wer über die elektrische Maschine oder das Automobil, sondern wer über die Talsperren- und Autostraßensysteme verfügt" (1932: 283-284). Man muß nur einmal die erbitterte Polemik M.H. Boehms gegen dieses "Programm eines abgewandelten Bolschewismus" lesen, um zu erkennen, daß es hier um weit mehr als um einen bloßen Konflikt zwischen zwei Flügeln der'Konservativen Revolution' ging (Boehm 1933: 10).

III.
Die Polyphonie steigert sich, wenn man von den negativen zu den positiven Bezugspunkten der 'Konservativen Revolution' übergeht. Beginnen wir mit dem Begriff Nationalismus, den Kurt Sontheimer als Überschrift für seine Darstellung der verschiedenen Gruppen der Weimarer Rechten gewählt hat (1968: 113). Versteht man unter Nationalismus jene spezifisch neuzeitliche politische Religion, der die Bindung an die Nation als oberster innerweltlicher Wert gilt (Alter 1985: 14), so trifft dies auf niemanden genauer zu als Moeller van den Bruck. Die konservative Gegenbewegung, die Moeller der liberalen Revolution entgegensetzen wollte, wurde vor allem anderen als Selbstbesinnung der Nation vorgesteüt, als eine über die Parteien hinausgreifende Sammlungsbewegung, die "den Gedanken an die Nation über jeden andern Gedanken, auch über den monarchischen" stellte (1938: 174-175). Unter Nation verstand Moeller dabei keine bloß biologische, aber auch keine rein politisch-staatliche Größe, sondern, in durchaus Herderschem Sinne, etwas Moralisches und Metaphysisches: eine Wertungsgemeinschaft. "Leben im Bewußtsein seiner Nation heißt Leben im Bewußtsein ihrer Werte. Der Konservativismus einer Nation sucht diese Werte zu erhalten: durch Bewahrung der überlieferten Werte, soweit sie Wachstumskraft in der Nation behielten - und durch Einbeziehung aller neuen Werte, soweit sie die Lebenskraft der Nation vermehren" (1938: 235, 231-232). Um welche Werte es sich im Falle der deutschen Kultur handelte, wußte Moeller zwar nicht anzugeben. Er machte jedoch aus dieser Not eine Tugend, indem er dem deutschen Nationalismus die Aufgabe zuwies, aus der Geschichte heraus die wichtigsten Werte zusammenzufassen und herauszustellen, "um der Nation deutlich zu machen, was ihr gehört, weil es deutsch ist und weil es Wert ist: die deutsche Menschengeschichte" (1938: 243). Seine paradoxe Formel, konservativ sei, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohne (1938: 202), erhält von hier ihren Sinn. Die Behauptung, Moeller habe alle Werte verworfen und dem blanken Nihilismus gehuldigt, trifft seine Position nicht (Stern 1986: 2, 242, 318).
Dem nationalistischen Lager kann auch Carl Schmitt zugerechnet werden, dem es 1923 als ausgemacht galt, "daß der stärkere Mythus im Nationalen liegt" (1969: 88). Allerdings war Schmitt kein Nationalist im oben definierten Sinne, erschien ihm doch die Nation mitnichten als oberster Wert. Vor und über aller Wertbeziehung konstituierte sich die Nation in seiner Sicht in einem existentiellen Akt: der Willenserklärung eines Volkes, sein besonderes Sein in der Sphäre des Politischen zu behaupten. Obwohl die Nation auf diese Weise zu einem Aggregatzustand des Volkes und somit zu einer abgeleiteten Größe wurde, genoß sie in Schmitts Denken doch einen deutlich höheren Rang als das Volk. Ein Volk nämlich, das nicht als Nation existierte, war "nur eine irgendwie ethnisch oder kulturell zusammengehörige, aber nicht notwendig politisch existierende Verbindung von Menschen" (1970: 79), welche ständig in der Gefahr stand, sich durch den Verzicht auf die politische Selbstbehauptung einem überlegenen Herrschaftswillen auszuliefern. Als Gegenstand sowohl der historischen als auch der juristischen Betrachtung kam für Schmitt das Volk nur soweit in Betracht, als es "ein durch politisches Sonderbewußtsein individualisiertes Volk" war, d.h. soweit es sich als Nation konstituiert hatte (1970: 231). Dieser Konstitutionsakt erfolgte durch die Unterscheidung von Freund und Feind, durch eine Willensbekundung, welche weder aus irgendwelchen Einzelentscheidungen noch aus naturrechtlich vorgegebenen Normen abgeleitet war, vielmehr ihre Rechffertigung ganz in sich selbst trug. War diese Entscheidung einmal gefallen, so kam ihr unbedingter Vorrang gegenüber allen anderen Orientierungen zu. "Wenn die Nation als Subjekt der verfassunggebenden Gewalt dem absoluten Fürsten entgegentritt und seinen Absolutismus beseitigt, so setzt sie sich ebenso absolut an seine Stelle. Die Absolutheit bleibt hier mit unveränderter, sogar mit gesteigerter Kraft bestehen, weil das Volk sich jetzt mit sich selbst in seinem Staat politisch identifiziert" (1970: 51).
Erheblich gedämpfter war die Haltung gegenüber dem Nationalen dagegen im Tat-Kreis. Zehrer würdigte zwar das neue Nationalgefühl und sprach, ganz im Moellerschen Geiste, von der proletarischen Nation (Die Tat 1929-1930, 11: 646, 1932-1933, 1: 200). Gleichwohl galt ihm das Nationale nicht als oberster Wert, sondern nur als eines von drei Momenten, aus denen sich der Volkswille zusammensetzte. Als Verkörperung des Behauptungs- und Geltungswillens eines Volkes sei es heute wichtiger als das erste Element (das Religiöse), dessen Bedeutung durch die Säkularisierung herabgemindert sei; jedoch nicht so wichtig wie das dritte Element, das Soziale: die "Einheit der gesellschaftlichen Kräfte", welche "heute das Stärkere und jeweils der Urgrund und die Quelle der beiden anderen Elemente" sei (1932-1933, I: 372). Zehrer lehnte deshalb Schmitts Vorstellung von der Uberlegenheit des nationalen Mythos ab. Worauf es heute ankomme, sei nicht die Betonung des Nationalen, sondern dessen Durchdringung mit dem Sozialen als der eigentlich dominierenden Kraft - eine Konstellation, welche die Tat bekanntlich wie Schleicher in einem Bündnis zwischen Teilen des Nationalsozialismus und den Gewerkschaften verwirklichen zu können glaubte (1932-1933, I: 382-383, 389; zum Bündniskonzept Schleichers: Schildt 1981).
Auf Distanz gegenüber dem Nationalismus gingen dagegen Spengler und, Anfang der dreißiger Jahre, auch Jünger. In Spenglers Geschichtsbild nahmen die Nationen wohl einen herausragenden Platz ein, jedoch in einem Stadium, das im Abendland bereits Vergangenheit war: dem der Kultur. Nur Kulturvölker, die von einer Idee regiert wurden, waren für Spengler Nationen; die Kultur des Abendlandes aber war um 1800 zu Ende gegangen (1973: 761, 1924: 22). Der moderne Nationalismus hatte damit nichts mehr zu tun. Er war ein Phänomen der Zivilisation, "ein rationalistisches und romantisches Ideal", das auf eine atomisierte und nivellierte Masse gemünzt war, "formlos und ohne Aufbau, herrenlos und ziellos". Wie immer dieser Nationalismus sich gerieren machte - ob liberal oder demokratisch, sozialistisch oder faschistisch er war eine Ubergangserscheinung, eine Vorstufe des kommenden Cäsarismus, dem allein die Zukunft gehörte. Die Epoche des Nationalstaates war zu Ende, "und auch der Nationalismus heutiger Art wird verschwinden ... Das Schicksal, einst in bedeutungsschweren Formen und großen Traditionen zusammengeballt, wird in der Gestalt formloser Einzelgewalten Geschichte machen. Die Legionen Cäsars wachen wieder auf" (1933: 25-26, 140, 165).
Der zweite Teil dieser Prognose wurde von Ernst Jünger nicht übernommen; aber daß der Nationalstaat eine überholte Erscheinungsform sei, glaubte auch er. Noch in den zwanziger Jahren selbst ein glühender Nationalist(2), sah er 1932 im Nationalismus nur mehr eine Phrase, die, ähnlich wie der Sozialismus, aus dem Liberalismus stamme. Die nach dem Weltkrieg überall eingerichteten nationalen Demokratien erschienen ihm als Ubergangszustand, "dem es an Gestalt und damit an echter Ordnung mangelt"; ihre Verwirklichung habe nach innen das Vordringen eines kleinbürgerlichen, chauvinistischen Menschenschlags gebracht, nach außen eine Emanzipation der Farbigen, die die Herrschaftsposition der alten Nationalstaaten untergrabe (1932: 240-242). Die Zukunft gehöre nicht
Der zweite Teil dieser Prognose wurde von Ernst Jünger nicht übernommen; aber daß der Nationalstaat eine überholte Erscheinungsform sei, glaubte auch er. Noch in den zwanziger Jahren selbst ein glühender Nationalist(2), sah er 1932 im Nationalismus nur mehr eine Phrase, die, ähnlich wie der Sozialismus, aus dem Liberalismus stamme. Die nach dem Weltkrieg überall eingerichteten nationalen Demokratien erschienen ihm als Ubergangszustand, "dem es an Gestalt und damit an echter Ordnung mangelt"; ihre Verwirklichung habe nach innen das Vordringen eines kleinbürgerlichen, chauvinistischen Menschenschlags gebracht, nach außen eine Emanzipation der Farbigen, die die Herrschaftsposition der alten Nationalstaaten untergrabe (1932: 240-242). Die Zukunft gehöre nicht der nationalen Expansion, weil durch den Nationalismus eher Grenzen vertieft und Gräben aufgerissen würden; außerdem sei der Nationalstaat außerstande, die Technik zu mobilisieren, welche ihrem Wesen nach kein der Nationzugeordnetes und auf sie zugeschnittenes Mittel sei (1Y32: 167). der kommende Arbeitsstaat sei der Tendenz nach imperial und planetarisch. Um ihn zu erreichen, seien die Nationalstaaten und Nationalimperien alten Stils gehalten, "sich in jene neue Verfassung zu bringen, die in der organischen Konstruktion der Planlandschaft zum Ausdruck kommt" (1932: 290). Es mag dahingestellt bleiben, ob diese organische Konstruktion sehr viel mehr bedeutete als eine contradictio in adiecto. Ein Dokument des revolutionären Nationalismus aber ist Der Arbeiter sicher nicht.
Noch ablehnender als Spengler und Jünger, die dem Nationalstaat immerhin eine gewisse Ubergangsfunktion zugestanden, äußerten sich Freyer und Jung. Nach Freyer steckten im Nationsbegriff "tausend Lügen der industriellen Gesellschaft, und an allen Ecken und Enden guckt neunzehntes Jahrhundert hervor"; mit seinen Grenzen, seinem starren Besitzstand und seinem zusammengeerbten Land habe der Nationalstaat das staatliche Denken verfälscht. "Dieser Begriff ist gründlich abzubauen" (1931: 50, 65). Edgar Jung, der sich noch in der ersten Auflage seiner Herrschaft der Minderwertigen (1927) für den Neuen Nationalismus erklärt hatte, wandte sich in der zweiten Auflage (1929) nicht nur von diesem, sondern vom Nationalismus überhaupt ab. Nationalismus sei eine Schöpfung des romanischen Denkens, abstrakt und unorganisch, und eben deshalb deutschem Denken von Haus aus fremd. Er entspringe aus der Staatsvergottung der Franzosen, sei also "etwas künstlich Neugeschaffenes, kein urwüchsig und unbewußt Gewordenes"; auBerdem sei er expansiv und imperialistisch und führe zu einer selbstsüchtigen Politik. Jung setzte dagegen die bewußte Abwendung vom westlichen Nationalstaatsgedanken, die Besinnung auf die übernationale Sendung des deutschen Volkes, das die Aufgabe habe, "den abendländischen Kulturkreis vor Zersetzung zu retten", "Träger der Wiederverchristlichung zu werden und an Stelle der Anarchie geistige, gesellschaftliche und politische Einheit zu setzen" (1930:114-117). Uber die politische Form, die den Nationalstaat ersetzen sollte - das Reich - wird weiter unten noch zu sprechen sein. Zuvor aber müssen wir uns Klarheit über den Begriff verschaffen, der sowohl bei Freyer als auch bei Jung als eigentlicher Antipode zur Nation fungiert: das Volk.

IV
Der Volksbegriff Jungs erinnert auf den ersten Blick an Herder. Volk, so erfahren wir, ist "stärkste metaphysische Gebundenheit des Einzelmenschen", eine Individuation Gottes, ein "selbständiges, geisterfülltes Wesen, das sich im Einzelmenschen immer nur teilhaft widerspiegelt" (1930: 118, 132). Wie bei Herder jedes Volk als ein lebendiger Organismus, als Offenbarung des Heiligen vorgestellt wird, das der Pflege und der Verehrung bedarf, erscheint es auch bei Jung als eine primär seelisch bestimmte Gesamtpersölichkeit, als irdisches Gefäß, "in dem der göttliche und sittliche Inhalt gefaßt wird" (1930: 127). Völkische oder rassistische Argumente haben in diesem religiös-metaphysischen Diskurs keinen Platz, und so ist es denn durchaus folgerichtig, wenn Jung die Rassenlehre als biologistische und materialistische Verirrung zurückweist und ihr eine Verleugnung; des Geistes und der Freiheit vorwirft.
Daß die völkische Ideologie gleichwohl ihren Eindruck auf ihn nicht verfehlt hatte, zeigt sich schon wenige Zeilen später, wo Jung auf der "Tatsache wertvoller und minderwertiger Rassen" insistiert und die Forderung nach Rassenschutz als eine für das politische Leben "wohl annehmbare Erwägung" bezeichnet. Wenngleich Jung eine Abstufung der staatsbürgerlichen Rechte nach rassenmäßigen Gesichtspunkten ablehnt und den Antisemitismus als Politik des Ressentiments kritisiert, lädt er seinen Volksbegriff doch so stark mit völkischen Konnotationen auf, daß die Grenzen nahezu fließend werden. Man könne nicht leugnen, heißt es, daß die rassische Zusammensetzung der Völker Einfluß auf deren geschichtliche Entwicklung gehabt habe; sei doch etwa der Niedergang der antiken Kulturen durch "rassische Zersetzung mitverschuldet" worden. Und wenn heute fast überall der Ruf nach rassischer Reinhaltung und Hochzüchtung erschalle, "so ist das ebenfalls ein Teil der Auseinandersetzung zwischen Minderwertigkeit und Hochwertigkeit" (1930: 120-121). Wenn Mohler mit Blick auf Jung vom zurückhaltenderen und feiner organisierten Wesen der Jungkonservativen spricht, neben dem den Völkischen der Geruch dumpfer Blutmystik anhafte, so ist ihm offenbar der folgende Satz entgangen: "Maßnahmen zur Hebung rassisch wertvoller Bestandteile des deutschen Volkes und zur Verhinderung minderwertigen Zustromes müssen aber eher heute als morgen getroffen werden" (1930: 126; Mohler 1989, 1: 141).
Jung war nicht der einzige 'konservative Revolutionär', der dem völkischen Gedankengut Konzessionen machte. Ähnliche Tendenzen finden sich bei Max Hildebert Boehm, der wie Jung die Fragwürdigkeit der Rassenlehren erkannte, nichtsdestoweniger davor warnte, "den gesunden und vor allem auch volkstheoretisch wichtigen Kern dieser Ansichten und Bestrebungen zu übersehen" (1932: 17-23); bei Wilhelm Stapel, für den das ethische Sollen seine inhaltliche Bestimmung aus dem biologischen Zustand einer Gemeinschaft erhielt (1932: 223); oder bei Ernst Niekisch, der in seinen obsessiven Attacken gegen die romanische Uberfremdung Deutschlands immer wieder auf die germanische Ursubstanz des deutschen Wesens rekurrierte und dabei nicht vor Anbiederungen an Rosenbergs Mythos des 20. Jahrhunderts zurückschreckte (1930: 19-20; Sauermann 1984: 116, 215-20, 230, 243). Sogar die Tat, die im Sinne der idealistischen Tradition vom Volksgeist sprach und die Glaubens- und Willensgemeinschaft des deutschen Volkes beschwor, würdigte am neuen Nationalgefühl vor allem dessen völkische Orientierung, die "zum ersten Male nach der Verengung der wilhelminischen Ära wieder mit der gesamten deutschen Nation deutschen Blutes und deutscher Sprache" rechne (1932-1933, 1: 370, 1929-1930, 1: 565, 646). Auch wenn rassistische und antisemitische Parolen im Tat-Kreis keine zentrale strategische Bedeutung hatten, tauchten sie doch mitunter auf - etwa, wenn Fried die Einheit der Rasse als Grundlage eines neuen, bewußt nationalen Volkstums pries, oder wenn deutlich gemacht wurde, daß Juden nicht zur neuen Volksgemeinschaft gehörten (1930-1931, II: 868; Fritzsche 1976: 152-153).
Den Volksbegriff zum Dreh- und Angelpunkt der politischen Theorie zu erheben, ohne ihn völkisch aufzuladen - dieses Kunststück hat vor 1933 nur Hans Freyer fertiggebracht. Ihm galt das Volk nicht als Naturgröße, sondern ganz und gar als das Ergebnis geschichtlicher Dialektik: der Vergesellschaftung der Gesellschaft, wie sie der industrielle Kapitalismus herbeigeführt habe, aber auch der Sozialpolitik, die aus der künstlichen Welt der Industriegesellschaft einen Lebensraum für den Menschen geschaffen habe. Durch die radikale Vernichtung der vormodernen Welt, durch die Eingliederung des Proletariats und die Anerkennung der Klasseninteressen sei das Volk als eine "neue Bildung, eignen Willens und eignen Rechts" entstanden, welche im Begriff sei sich den Staat und die Technik anzueignen. Eine genauere Bestimmung dieses neuen Subjekts lehnte Freyer ab, ja er verwahrte sich ausdrücklich gegen jeden Versuch, den Volksbegriff mit Inhalten zu füllen und dadurch zu fixieren. "Jede Partei die das Volk bereits gefaBt zu haben behauptet oder seine Sache vollgültig zu repräsentieren verspricht, lügt ... Es ist nicht möglich, dem werdenden Volk seine 'Volksordnung' auf den Leib zu schreiben, seine'Struktur' vorherzubestimmen oder sonstwie seine 'Soziologie' vorwegzunehmen"(3). So wie die radikale Linke sich weigerte, den Bildungsprozeß des revolutionären Subjekts irgendwie zu normieren, so wies auch Freyer jede Definition a priori zurück:
"Das revolutionäre Prinzip, das einem Zeitalter innewohnt, ist seinem Wesen nach keine Struktur, keine Ordnung, kein Aufbau. Sondern es ist reine Kraft, reiner Aufbruch, reiner Prozeß. Die Frage, zu welcher Form es sich fügen wird, wenn es am Ziel seiner Bewegung ist, ist nicht nur falsch sondern feige. Denn es kommt gerade darauf an, daß das neue Prinzip das aktive Nichts ~n der Dialektik der Gegenwart, also die reine Stoßkraft zu bleiben wagt; sonst ist es über Nacht eingebaut und kommt nie zu seiner Aktion" (Freyer 1931: 53).
Das Volk als das aktive NIchts - dies war Freyers Beitrag zu der anstehenden Revolution von rechts. Wenn der so oft und meist zu Unrecht geäußerte Verdacht des Nihilismus gegenüber der 'Konservativen Revolution' irgendwo zutrifft, dann hier.
Nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle spielte der Volksbegriff hingegen bei Moeller van den Bruck, Spengler, Schmitt und Jünger. Der letztere sprach zwar hier und da vom 'aktiven Schlag' als der eigentlichen Rasse, betonte aber, "daß Rasse innerhalb der Arbeitslandschaft mit biologischen Rassebegriffen nichts zu schaffen hat" (1932: 145). Vom Volk war im Arbeiter kaum oder nur beiläufig die Rede. Spengler wies nicht weniger entschieden als Jünger die - wie er meinte: darwinistische - Rassenlehre zurück und räumte dem Volk nur eine zweitrangige Position im Geschichtsprozeß ein (1973: 755, 1933: 157). Völker erschienen ihm nicht als Subjekte der Geschichte, sondern als deren Folgen. "Alle großen Ereignisse der Geschichte sind nicht eigentlich von Völkern ausgeführt worden, sondern haben Völker erst hervorgerufen" (1973: 754). Auch Schmitt war ein Volk erst dann interessant, wenn es seine Freunde und Feinde bestimmt hatte. In diesem Moment aber befand es sich bereits in der Sphäre des Politischen und war mehr als bloß Volk -: Nation (1970: 79, 231). Für Moeller schließlich war das Volk wohl von gewisser Bedeutung, weil seine bloße Zu- oder Abnahme Folgewirkungen für den Lebensraum und die geschichtliche Dynamik hatte; doch war dies rein quantitativ gedacht. In qualitativer Hinsicht war das Volk für Moeller nicht viel mehr als eine unbestimmte biologische Basis, die erst durch den Geist Form und Bedeutung erhielt. Obwohl Moeller durchaus fähig war, rassistische und antisemitische Ressentiments zu mobilisieren(4), hatten diese für sein Denken keine konstitutive Funktion; dessen Alpha und Omega war vielmehr die Nation als Wertungsgemeinschaft, deren Identität sich erst aus dem Bewußtsein ergab. Auch hinsichtlich des Volksbegriffs können wir also konstatieren, daß die 'Konservative Revolution' weit von einer einheitlichen Auffassung entfernt war.

V.
Ein gewisser Konsens scheint sich dagegen in der Frage der politischen und sozialen Gliederung aufzutun. Als gelehrige Schüler Nietzsches, der anstelle der Soziologie eine Lehre von den Herrschaftsgebilden hatte treten lassen wollen (1966,111: 560), waren die 'konservativen Revolutionäre' durchweg vom Primat der Herrschaft überzeugt. Das entscheidende gesellschaftliche Faktum war ihnen die Ungleichheit. Ungleichheit aber war gleichbedeutend mit Abstufung der Rechte und Pflichten, Rang, Hierarchie. Spengler konnte deshalb mit breiter Zustimmung rechnen, als er es für unmöglich erklärte, daB ein ganzes Volk gleichmäßig ein Kulturvolk sein könne, und stattdessen statuierte, die Kultur einer Nation könne immer nur durch eine Minderheit repräsentiert werden (1973: 764). Dasselbe gilt für das Diktum Freyers, ein Volk könne nur im Banne einer Herrschaftsstruktur zum Subjekt der Geschichte werden (1933: 30). Der alteuropäische Begriff der Herrschaft, der die Repräsentation des Ganzen durch einen privilegierten Teil prätendierte, war in der Tat eine der wichtigsten Achsen vielleicht die wichtigste-, um die sich die 'Konservative Revolution' organisierte.
Mit dieser Feststellung ist jedoch die Gemeinsamkeit bereits wieder erschöpft. Bei aller Ubereinstimmung über die Notwendigkeit von Herrschaft klafften die Vorstellungen über die nähere Beschaffenheit derselben doch weit auseinander. Da war, erstens, Spengler mit seiner Ansicht, in der Epoche der Zivilisation sei es mit ständischer Gliederung und vornehmer Politik ebenso vorbei wie mit der Achtung vor Tradition und Form; was bevorstehe, sei eine Heraufkunft formloser Gewalten, ein "Zeitalter der großen Einzelnen inmitten einer formlos gewordenen Welt" (1973: 1065, 1080). Spengler verschwendete daher keinen Gedanken an eine Erneuerung der Aristokratie, wie sie etwa Jung vorschwebte. Auch die im italienischen Faschismus kursierende Vorstellung, die Partei könne anstelle der alten Eliten treten, erschien ihm anachronistisch. Wenn der Faschismus eine Bedeutung hatte, so nicht dank seiner Organisation, sondern allein dank der Gestalt seines Schöpfers, Mussolini, den Spengler als eine Wiedergeburt des Condottieri feierte. Der vollendete Cäsarismus, verkündete er, sei Diktatur - "aber nicht die Diktatur einer Partei, sondern die eines Mannes gegen alle Parteien, vor allem die eigene" (1933:135). Partei, das war immer noch Masse. Die Zukunft gehörte dem Herrenmenschen, dem großen Gewalttäter, der die materialistischen und plebejischen Mächte in ihre Schranken verweisen und an die Stelle der parteimäßigen Anarchie die unumschränkte Autorität einer überlegenen Persönlichkeit setzen würde (1933: 61).
Da war, zweitens, Ernst Jünger, der in geradem Gegensatz zu Spengler jeden einzelnen für ersetzbar hielt und in der persönlichen Diktatur bestenfalls eine Ubergangsform sehen wollte(5). Gewiß war auch für Jünger der Heroenkult ein Leitmotiv, wie seine Apologie der 'Stahlgestalten' und 'Prachtmenschen' der Stoßtrupps und Freikorps belegt (1932: 107, 252, 1980: 72-73); und gewiß stand auch er zu sehr im Banne Nietzsches, als daß er die Idee des Ubermenschen hätte verabschieden können. Seine präzise Diagnose der Selbstzerstörung der bürgerlichen Ordnung, die vieles von dem vorwegnahm, was später Horkheimer und Adorno unter freilich ganz anderem Vorzeichen konstatierten, erlaubte ihm indes nicht, an der Kategorie des großen einzelnen festzuhalten. Die Auflösung des Individuums, seine Ersetzung durch den Typus in einer von der Technik geprägten Weltj erforderte eine Modifikation des Heroismus, eine Umdefinition des Ubermenschen, die sich von den alten Modellen des Genies oder des charismatischen Führers freimachte. Jünger glaubte dies zu erreichen, indem er kurzerhand den Arbeiter selbst zum "Träger der heroischen Grundsubstanz" erklärte und innerhalb dieser Grundsubstanz noch ein weiteres, besonders heroisches Substrat herausstellte - den "aktiven Schlag", eine Art Über-Arbeiter, bei dem es schwerfällt, nicht an Stachanow zu denken (1932: 103, 44, 267). Was immer Jünger dabei im Sinn gehabt haben mag, es unterschied sich jedenfalls nachhaltig von Spenglers Cäsarismus. Anstatt des großen Gewaltmenschen, der ganz allein seinen Zwecken folgte, stand hier eine Funktions- und Leistungselite, die ordensmäßig organisiert sein und in mönchischer oder soldatischer Armut leben sollte:
"Erscheinungen wie der deutsche Ritterorden, die preußische Armee, die Societas Jesu sind Vorbilder, und es ist zu beachten, daß Soldaten, Friestern, Gelehrten und Künstlern zur Armut ein natürliches Verhaltnis gegeben ist. Dieses Verhältnis ist nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend inmitten einer Werkstättenlandschaft, in der die Gestalt des Arbeiters die Welt mobilisiert. Man kennt bei uns sehr wohl das Glück, das darin liegt, innerhalb von Organisationen zu stehen, deren Technik jedem Einzelnen in Fleisch und Blut lebendig ist" (Jünger 1932: 202)
Jüngers Aufforderung an die Person, zugunsten des Typus abzudanken und ihr Glück in der Organisation zu suchen, erschien den traditioneller gestimmten Geistern der 'Konservativen Revolution' als Ausdruck einer nachgerade luziferischen Gesinnung. Max Hildebert Boehm erinnerte Jünger daran, daß Herrschaft nichts mit Arbeit zu tun habe, vielmehr "im Größten und Kleinsten immer eine sehr persönliche Aufgabe" sei, für die ihm der alte Adel durchaus noch am qualifiziertesten erschien (1933: 12, 47, 23, 102). In die gleiche Kerbe schlug Edgar Jung, der zwar nicht an den geschichtlich überkommenen Adel anknüpfen wollte, sondern eher für eine sich ständig erneuernde Leistungselite eintrat, als Auslesekriterium aber die Orientierung am unbedingten Wert des gesellschaftlichen Ganzheitsgedankens vorschlug. Wie stark auch Jung von traditionellen Herrschaftsideologien beeinflußt war, zeigte sich darin, daß er neben dem Ausleseprinzip auch eine 'Vornehmheit des Blutes' kannte, durch welche sich der Adel von bürgerlichen Leistungseliten abgrenze (1930: 328-332). Der Adel, so schrieb er in einem späteren Werk, könne weder ernannt noch gezüchtet werden, sondern züchte sich gleichsam selbst, indem er die zur Herrschaft befähigenden Eigenschaften auf dem Vererbungswege weitergab. "Die Elite muß leisten ... Der Adel hingegen herrscht durch sein überlegenes Sein" (1933: 51-52; Jenschke 1971: 147). Mit seinem Beharren auf der Aristokratie bezog Jung innerhalb der 'Konservativen Revolution' eine dritte Position, die von Spenglers Cäsarismus ebenso weit entfernt war wie von Jüngers Ordens-Staat.
Eine vierte Variante läßt sich im Tat-Kreis ausmachen. Sozialer Bezugspunkt war für Zehrer und seine Mitarbeiter die Mittelklasse, die man in der Gefahr sah, zwischen den herrschenden Mächten - Kapital und Masse - zerrieben zu werden. Diese Mittelklasse, die sich aus den proletarisierten Schichten des alten Mittelstandes und aus den aufsteigenden Teilen des Proletariats rekrutiere, sei heute der eigentliche Träger der Individualität und der Intelligenz. Aus ihr wachse jene neue Führungsschicht hervor, die nach dem soziologischen Gesetz vom Kreislauf der Eliten zur Herrschaft berufen sei. Während man diesen letzteren Gedanken von Pareto entlehnte, dessen Lehren die Tat übrigens einen eigenen Artikel widmete (1929-1930, II: 771-779), stammte die Betonung der Intelligenz aus der Soziologie Karl Mannheims; in ihr sah namentlich Zehrer ein wichtiges Mittel um den, wie er meinte, "leicht in den absoluten Nihilismus weisende(n) Eindruck dieses Kreislaufs" zu korrigieren, weil sie ihm einen sittlichen Hintergrund verlieh. "Uber diesem Kreislauf steht eine Schicht, die ihn in sich faßt, innerhalb deren er sich abspielt: die Intelligenz, die die Selbstkorrektur des Zeitgeistes gewährleistet" (1929-1930, II: 496,568). Da dies jedoch eine sehr langfristige Perspektive war, geriet sie unter dem Druck der politischen Ereignisse bald aus dem Blickfeld. An ihre Stelle trat die kurzfristige Suche nach Kräften, die imstande waren, das Weimarer System abzulösen, ohne durch das "Zwischenstadium des Cäsarismus oder der republikanischen Militär-Kommandantur" zu führen. Die Institution, auf die man dabei verfiel, zeigte Ähnlichkeiten mit den Vorstellungen Jüngers. Das "Menschenmaterial, das den komplizierten technischen Apparat des Staates verwaltet und aus dem sich die führende Schicht dauernd ergänzt", sollte in Form eines Ordens organisiert werden, der auf dem Prinzip des Opfers, der Hingabe und der Ehre beruhte (1932-1933, I: 79).
Hinsichtlich der übrigen Autoren können wir uns mit einigen knappen Hinweisen begnügen, da ihre Vorstellungen über die Herrschaftsstruktur weniger profiliert sind. Hans Freyer sprach nur sehr vage von den neuen, aus der Tiefe des Volkes hervorwachsenden Kräften, ohne diese näher zu spezifizieren; in einem früheren Text war zwar mehrfach vom 'Führer' die Rede, doch wäre es überzogen, darin mit Lukacs eine Vorwegnahme des Faschismus zu sehen: der Führer hatte nur die beschränkte Aufgabe, das Volk auf den Staat auszurichten, der seinerseits von der höheren Figur des 'Staatsmannes' bestimmt wurde (Freyer 1933: 39, 1925: 108-119, 199-207; Lukacs 1974, Ill: 96). Bei Carl Schmitt ergab sich die Option für einen Führer oder wenigstens eine aktive Minderheit schon aus seiner Feststellung, das Volk könne nur akklamieren, nicht deliberieren. Allerdings blieb diese Aussage rein formal. Bezüglich der neuen Art aristokratischer Formen, wie sie etwa mit der Herrschaft der Räte in Rußland oder derjenigen des Fascio in Italien aufgetaucht seien, äußert sich Schmitt durchaus zurückhaltend und spricht von Ubergangsformen, bei denen die endgültige Entscheidung über Art und Form der politischen Existenz noch ausstehe(6). Auch bei Moeller findet sich eine emphatische Bejahung des Führertums, sowohl auf wirtschaftlichem als auch auf kulturellem und politischem Gebiet, doch ist dabei der Führer nicht, wie in Spenglers Cäsarismus-Konzeption, Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck der Nation (1938:214-215; Stern 1986: 234, 237). Quasi-religiöse Elemente, wie sie etwa im George-Kreis oder in der NS-Bewegung anzutreffen waren, fehlen bei Moeller wie auch bei Schmitt. Bei letzterem stellt der Führer dem Volk Fragen, ohne selbst qua eigenem Charisma zu entscheiden; bei ersterem erscheint die Aufgabe, die Nation zu politisieren, als so groß, daB sie nicht von einer einzelnen, bestimmten Person bewältigt werden kann, sondern nur von einer 'sehr langen und wechselnden Folge' von Führern (Moeller van den Bruck 1938: 214). Die Idee des charisrnatischen Führers, soviel ist als Fazit festzuhalten, hat lediglich Spengler vertreten. Alle übrigen Autoren lassen sich entweder pseudoaristokratischen oder elitentheoretischen Auffassungen zuordnen, die ihrerseits wieder mit unterschiedlichen politischen Organisationsformen kompatibel sind - mit einer einzigen Ausnahme: der liberalen Demokratie.

VI.
Wer nach innen für eine Gliederung nach dem Herrschaftsprinzip eintritt, pflegt dies auch nach außen zu tun. In der Tat waren die Völker und Nationen aus der Sicht der 'Konservativen Revolution' keineswegs gleichwertig, sondern zur Über- und Unterordnung bestimmt. Wie diese Beziehungen allerdings im einzelnen zu gestalten waren und welchen Platz Deutschland dabei einnehmen sollte, darüber bestand keine einheitliche Meinung. Sehr grob lassen sich zwei Strömungen unterscheiden: eine erste, die für Deutschland den Status einer Hegemonialmacht in einem mehr oder weniger locker strukturierten Reich vorsah; und eine zweite, die eine imperialistische Expansion erstrebte, bei der die Unterworfenen ihre politische und kulturelle Identität einbüßten.
Die hegemonialistische Position hatte ihre Anhänger hauptsächlich unter jungkonservativen Autoren. Edgar Jung z.B. vertrat unter Berufung auf Constantin Frantz ein föderalistisches Modell, in dem Provinzen, Länder, Bundesstaaten sowie verbündete Staaten unter weitgehender Selbstverwaltung zu einem Reichsverband zusammengeschlossen sein sollten, dessen institutionelle Spitze über die auBenpolitische, militärische, wirtschafts- und bevölkerungspolitische Prärogative verfügen würde; daß in diesem kommenden Reich den Deutschen als dem 'Kernvolk' Mitteleuropas die Führung zufallen sollte, erschien Jung selbstverständlich (1930: 360-361, 648; Jenschke 1971: 148-150). Ähnliche Plädoyers für die Reichsidee als einer Alternative zum nationalistischen, 'ethnokratischen' Imperialismus westeuropäischer Provenienz finden sich bei Boehm oder Freyer und haben auch auf Carl Schmitts Konzeption einer völkerrechtlichen Großraumordnung gewirkt, die allerdings erst in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre systematisch entfaltet wurde(7).
Eng hiermit verwandt waren die Vorstellungen des Tat-Kreises zur Neugestaltung Mittel- und Südosteuropas. In seinem Grundriß einer neuen Partei nannte Zehrer als außenpolitische Fernziele den Anschluß Österreichs, die Minderheiten und den Balkan, d.h. eine führende Stellung Deutschlands in Mittel- und Südosteuropa. Realisiert werden sollten diese Ziele im Rahmen eines neuen Föderalismus, über dessen nähere Ausgestaltung Zehrer indes keine Auskunft gab (Die Tat 1929-1930, II: 646-647). Schon etwas genauer war 1932 vom 'bündischen Reich Mitteleuropas' die Rede, das anstelle des liberalistischen Nationalstaatensystems treten sollte. Dieses Reich sollte nicht wie dasjenige Bismarcks imperialistisch, militaristisch und zentralistisch sein, vielmehr übernational, föderalistisch und autoritär; ob damit freilich, wie Zehrer behauptete, die Vision Moeller van den Brucks vom'Dritten Reich' getroffen war, erscheint fraglich, aus Gründen, die im nächsten Abschnitt deutlich werden (1932-1933, 1: 14, 76, 371).
Als Zwischenlösung erstrebte die Tat die Schaffung einer mittel- und südosteuropäischen Großraumwirtschaft auf der Basis eines Kontingentierungssystems mit Präferenzzöllen, welche blockadesicher und vom Weltmarkt unabhängig sein sollte (Fried 1931: 255-256). Obwohl sich dieses Programm föderalistisch und antiimperialistisch gab, ließen seine wirtschaftspolitischen Einzelheiten doch unschwer erkennen, worauf es hinauslief: auf die ökonomische Unterordnung der Staaten Mittel- und Südosteuropas unter das überlegene industrielle Potential Deutschlands, dem auf diese Weise ein ähnlich großer geschlossener Markt verschafft werden sollte, wie ihn England und Frankreich in ihren Kolonialreichen besaBen. Die Autarkie-Ideen der Tat fügten sich damit bruchlos in die Kontinuität kontinentalhegemonialer Zielvorstellungen, die seit dem ausgehenden 19. Jh. die deutsche AuBen- und Wirtschaftspolitik beherrschten (Wendt 1987: 42-46).
Nicht mehr nur hegemonialistisch, sondern eindeutig imperialistisch waren dagegen die Absichten Moeller van den Brucks. Nach Moelier hatten im Weltkrieg die Falschen gesiegt, nämlich die 'alten' Völker, deren Bevölkerungszahl entweder rückläufig oder von vornherein zu niedrig war, um Weltpolitik zu treiben. Verloren hatten die'jungen' Völker, deren Bevölkerungsdruck eine expansive Politik geradezu lebensnotwendig machte. Dazu gehörte an vorderster Stelle Deutschland, das Land, das im Verhältnis zu seinem Territorium zwanzig Millionen Menschen zu viel besaB (1938: 64). Der deutsche Vorkriegsimperialismus erschien Moeller als ein grandioser Versuch, dieses Problem zu lösen. Er habe die Auswanderung beendet, indem er Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland selbst schuf, er habe Industrie, Handel und Verkehr gefördert und damit die Wachstumschancen des Landes gesichert. Durch die militärische Niederlage sei diese Expansion unterbrochen und Deutschland, wie die meisten anderen jungen Völker auch, auf einen Pariastatus zurückgeworfen worden; der Versailler Frieden habe ihm die Rohstoffgebiete entzogen, die Kolonien verwehrt, die Lebensnerven zerschnitten (1938: 61,1932: 115). Diese Schmach zu tilgen und Deutschland in den Kreis der imperialistischen Mächte zurückzuführen, war Moellers oberstes Ziel. Uberzeugt, "daß der Krieg bevölkerungspolitischen Gründen entsprang, daß der bekämpfte Imperialismus immerhin die beste Sozialform für ein Land der Ubervölkerung war und daß wir dasjenige Volk Europas sind, das vor allen anderen diesen Imperialismus brauchte", setzte sich Moeller dafür ein, die Nation wieder zur Weltpolitik zu befähigen: durch Politisierung, durch Überwindung der inneren Gegensätze, durch Orientierung auf die eigentliche Weltaufgabe - einen sozialisierten Imperialismus, welcher neue Absatzgebiete und Rohstoffquellen schaffen und dadurch den Arbeitern Arbeit geben würde (1938: 98, 66).
War Moellers Imperialismus noch von den Vorstellungen der Vorkriegszeit und ihren Platz-an-der-Sonne-Parolen geprägt, so wollte Spengler sich damit nicht mehr begnügen. Für ihn ging es nicht um einen Anteil an der Beute. Was vielmehr anstand, war der weltgeschichtliche Ubergang von der Staatenwelt des 18. Jhs. zum Imperium mundi "zur unbedingten Weltherrschaft im militärischen, wirtschaftlichen, intellektuellen Sinne" (1933: 16, 1924: 22). Während alle bisherigen Imperialismen sich auf begrenzte Räume bezogen hätten, sei der moderne Imperialismus auf den ganzen Planeten gerichtet, auf das Erfordernis, "durch die Mittel faustischer Technik und Erfindung das Gewimmel der Menschheit zu einem Ganzen zu schweißen" (1924: 22). Auf die schon von Metzsche (1966, II: 554) aufgeworfene Frage: Wer soll der Herr der Erde sein? sah Spengler zwei mögliche Antworten. Die eine bestand im Sieg des 'englischen Sozialismus', der die Weltwirtschaft in eine Weltausbeutung verwandeln und die Herrschaft über das künftige Imperium Milliardären und Trusts übertragen würde. Die andere war der Sieg des 'preußischen Sozialismus', der Weltorganisation nach den Prinzipien des Staates und der Autorität (1924: 51, 67). Daß Spengler die zweite Alternative für historisch aussichtsreicher hielt, wird niemanden überraschen; daß damit aber kein borussischer Imperialismus gemeint war, wird nicht immer klar genug gesehen. "Nicht jeder ist Preuße, der in Preußen geboren ist", schrieb Spengler, und er fügte hinzu: "dieser Typus ist überall in der weißen Welt möglich, und wirklich, wenn auch noch so selten, vorhanden. Er liegt der vorläufigen Form der nationalen Bewegungen - sie sind nichts Endgültiges - überall zugrunde, und es fragt sich, in welchem Grade es gelingt, ihn von den rasch veraltenden, populären, parteimäßigdemokratischen Elementen des liberalen und sozialistischen Nationalismus zu lösen, die ihn einstweilen beherrschen" (1933: 139). Nicht die preußische Nation, sondern die "Idee des preußischen Daseins" war nach Spengler zur Weltherrschaft berufen; das zukünftige Imperium war deshalb auch kein Imperium Teutonicum, in dem sich "eine Nation groß und glänzend über die andern erheben" und ihre Autorität über die übrigen Nationen festigen würde (Stapel 1932: 252), sondern eine Weltzivilisation jenseits aller nationalen Gliederung.
Noch ausgeprägter war dieser Gedanke eines supranationalen Imperialismus in Jüngers Arbeiter, der sich bewußt jeder Option für einen bestimmten nationalen Stil enthält. Zwar sah auch Jünger in den gegenwärtig bestehenden Nationalstaaten und Nationalimperien die Träger einer totalen Mobilmachung, die sich in der Konzeption und Durchführung großer Pläne, im allenthalben zu boobachtenden Ausbau der Rüstung und der Verschmelzung organischer und mechanischer Elemente äußere; doch sei die dadurch eingeleitete Bewegung zu umfassend und allgemein, als daß sie sich noch in die Organisationsformen der bürgerlichen Welt und ihrer nationalstaatlichen Gliederung einfangen ließe. Welche der miteinander konkurrierenden Nationen schließlich die Weltherrschaft erringen würde, erschien Jünger als eine empirische und letztlich sekundäre Frage; entscheidend war, daß alle Konkurrenten sich des gleichen Mittels bedienten - der Technik als des wirksamsten, unbestreitbarsten Mittels der totalen Revolution -, und damit das gleiche Geschäft betrieben: die Verwirklichung der Gestalt des Arbeiters. Am Ende dieser Entwicklung würde der universale Arbeitsstaat stehen: ein Gebilde von planetarischen Ausmaßen, in dem die bestehenden Planlandschaften ihren besonderen Charakter eingebüßt haben und in einen Staatsplan von imperialem Rang eingeordnet sein würden (1932: 209-210, 277). "Das Ziel, in dem sich die Anstrengungen treffen, besteht in der planetarischen Herrschaft als des höchsten Symboles der neuen Gestalt. Hier allein ruht der Maßstab einer übergeordneten Sicherheit, der alle kriegerischen und friedlichen Arbeitsgänge übergreift" (1932: 291).

***

Die Reihe der Vergleiche ließe sich fortsetzen. Gleichwohl sind die bisher erörterten Themen von derart zentraler Bedeutung für jede politische Theorie, daß sich schon jetzt die Frage beantworten läßt, ob die 'Konservative Revolution' als eine eigenständige Richtung im politischen Denken des 20. Jhs. angesehen werden kann. Dafür spricht nichts. Im Bereich der Außenpolitik konnten wir zwischen imperialistischen und hegemonialistischen Ambitionen unterscheiden, im Bereich der Innenpolitik zwischen pseudoaristokratischen, elitentheoretischen und cäsaristischen Konzeptionen. Manche Autoren neigten dem völkischen Lager zu, andere bezogen nationalistische Positionen. Einige tendierten zu staatssozialistischen Lösungen, andere wieder zu einem ausgeprägten Individualismus und Personalismus, der eher zu liberalen Auffassungen gravitierte. Dieselbe Spannweite ließe sich, was hier nur angedeutet werden konnte, im Verhältnis zur Technik ausmachen, das von unbedingter Bejahung bei Spengler und Jünger bis zu entschiedener Ablehnung - etwa im Tat-Kreis - reicht (8). Die einzige Position, in der alle Autoren ohne Einschränkung übereinstimmen, ist das kompromißlose Verdikt über den politischen Liberalismus als einer dem deutschen Wesen unangemessenen, 'westlichen' Erscheinung, deren Etablierung mitsamt ihren Folgen (Parlamentarismus, Pluralismus) so schnell wie möglich rückgängig gemacht werden sollte.
Dieser Minimalkonsens reicht aber nicht aus, um der 'Konservativen Revolution' ein eigenes Profil zu verleihen. Die Gegnerschaft gegen den politischen Liberalismus war keine Domäne einer bestimmten Strömung, sondern an den Rändern des politischen Spektrums gleichermaßen verbreitet. Antiparlamentarisch und antirepublikanisch war die Deutschnationale Volkspartei, spätestens seit dem Sieg Hugenbergs und der hiermit verbundenen Sezession sowohl des altkonservativen als auch des gewerkschaftsorientierten Flügels (Holzbach 1981; Stupperich 1982). Eine noch vehementere Gegnerschaft fand die liberale und pluralistische Demokratie, in der Parteien und Verbände ihre Interessen vertraten, in Hitler, der in dieser Verfassungsform nur ein Zeichen der Dekadenz und der Schwäche zu sehen vermochte. Daß sich dieselbe Feindbestimmung, wenngleich in der Regel besser begründet, auch in Teilen der Linken fand, ist zu bekannt, als daß es ausführlich dargelegt werden müßte. In dem einzigen Punkt, in dem die Autoren der 'Konservativen Revolution' eine gewisse Gemeinsamkeit besitzen, stimmen sie zugleich mit Strömungen überein, mit denen sie laut Mohler sonst wenig verbindet. Ein Kernbestand politischer, sozialer und wirtschaftlicher Uberzeugungen, der nur den Autoren der 'Konservativen Revolution' eigen wäre und sie von anderen Richtungen unterschiede, ist nicht auszumachen. Als ein polemischer, eine unverwechselbare Identität bezeichnender Begriff läßt sich die 'Konservative Revolution' nicht aufrechterhalten (9).
Der 'Konservativen Revolution' fehlt jedoch nicht nur ein solcher Kern, sie ermangelt überhaupt eines originären Gehalts, der ihr, und nur ihr, eigen wäre. So auftrumpfend ihre Protagonisten sich aus der "Gegnerschaft gegen das 19. Jahrhundert" definierten (Mohler 1989, I: 11), so wenig hinderte sie dies doch, dessen ideologisches Arsenal nach Belieben zu plündern. Weit davon entfernt, einen einzigen neuen Gedanken hervorzubringen, begnügten sie sich damit, Versatzstücke zusammenzufügen und Vorgefertigtes zu rekombinieren. Wirtschaftsliberale Bauteile wurden mit pseudoaristokratischen gekoppelt, staatssozialistische Bestrebungen mit bündischen, nationalistische Elemente mit imperialistischen, diese wiederum mit cäsaristischen und so fort - kein Motiv, das nicht schon im 19. Jahrhundert oder früher zu finden wäre, keine Idee, die sich nicht bereits in einer der drei vier klassischen Strömungen des politischen Denkens entdecken ließe. Claude Levi-Strauss hat einmal das 'wilde', das mythopoetische Denken mit der Tätigkeit des Bastlers verglichen, der auf eine bereits konstituierte Gesamtheit von Werkzeugen und Materialien zurückgreift und vorübermittelte Botschaften reorganisiert (1968: 31-36). Er hat damit genau jene mythopoetische Praxis getroffen, die im Deutschland der Zwischenkriegszeit die vorhandenen ideologischen Bestände durchforstete, ausschlachtete und umgruppierte, eben dadurch aber auch völlig innerhalb deren Grenzen blieb. Man sollte diese Praktiken als das bezeichnen, was sie waren: intellektuelle Basteleien von je unterschiedlicher Ausprägung, Reflexionshöhe und Wirkung. Sie zu einer eigenständigen Lehre, gleichrangig dem Konservatismus, Liberalismus oder Sozialismus zu stilisieren, hieße, ihnen zuviel Ehre anzutun.
Anmerkungen
1) Dies gilt z.B. für das Leitbild der'ewigen Wiederkehr', dem etwa Moeller van den Bruck in seiner Spengler-Kritik dezidiert widersprochen hat (1932: 22-23); für die postulierte Gegnerschaft zum Christentum, die weder bei Edgar Jung noch bei Wilhelm Stapel anzutreffen und auch für Carl Schmitt mit überzeugenden Argumenten bestritten worden ist (vgl. die Aussprache zu Mohlers Referat in: Quaritsch 1988: 153-157), schließlich auch für den Nihilismus, in dem Spengler ein Medium der Verpöbelung sah (1933: 69).
2) Charakteristisch etwa das Vorwort zur Schrift seines Bruders Friedrich Georg Jünger 1926: VII-XIII. Die zahlreichen kleineren Artikel, die Ernst Jünger zwischen 1925 und 1932 in Zeitschriften wie Standarte, Arminius und Widerstand veröffentlicht hat, sind in die Werkausaben nicht aufgenommen worden und deshalb heute nur schwer zugänglich. Eine informative Darstellung gibt Hietala 1975; eine knappe Zusammenfassung Schwarz 1962, der allerdings dazu tendiert, Jüngers Publizistik zu eng an den Arbeiter heranzurücken und den Einfluß Spenglers zu überzeichnen (1962: 81, 87).
3) Freyer 1931: 44, 52-53. Da 'Volk' für Freyer eine Willens-, keine Naturkategorie ist, erscheint mir die Bezeichnung 'völkischer Denker' (Giere 1967: 158 u.ö.) unzutreffend. Zu Freyers Denken siehe auch Üner 1981, Muller 1987.
4) Vgl. etwa 1932: 193-206, wo Frankreich der Vorwurf gemacht wird, es suche seine Hegemonie über Europa mit dem "dunklen und wilden Blute von Fremdkörpern und Kolonialtruppen zu stützen (...), das in die europäischen Blutbahnen die Zersetzung der Rassen hineinträgt" (205). Auch die antisemitischen Ausfälle gegen Marx passen dazu - siehe Moeller 1938: 39. Umfassend zu Moeller jetzt Goeldel 1984.
5) Jünger 1932: 145. Jünger rückte damit von seinen früheren Schriften ab, in denen der Führerkult eine zentrale Rolle spielte: vgl. Schwarz 1962: 116; Hietala 1975: 54, 78.
6) Vgl. Schmitt 1970: 81-84. An anderer Stelle äußert sich Schmitt allerdings wesentlich positiver über den Italofaschismus, so etwa 1969: 89, 1940: 109-115. Grundlegend hierzu jetzt Schieder 1989.
7) Vgl. Boehm 1932: 127, 184, 1933: 100-101; Freyer 1925: 120-129; Schmitt 1941; zum letzteren auch Neumann 1980: 188-198. Eine heftige Polemik gegen den Reichsgedanken als "Transsubstantiation der antigermanischen, imperialen, römischen Unterwerfungsabsicht in politische Metaphysik" findet sich dagegen bei Nickisch 1930: 26. Zu Niekischs Polemik, die sich vor allem gegen Wilhelm Stapel richtet, siehe auch Kabermann 1973:93 u.ö.
8) Vgl. Spengler 1973: 57, 1932a; Jünger 1932: 149-150. Jünger sieht sehr wohl auch die zerstörerische Seite der Technik, bejaht sie aber unbedingt, denn: "Die Meistemng der Verhältnisse kann nur durch Kräfte geschehen, die durch die Zone der Zerstörung hindurchgegangen sind, und denen in ihr eine neuartige Legitimation zuteil geworden ist" (1932: 254-255). In der Tat hingegen war man überzeugt, daß das Zeitalter der technischen Revolution abgeschlossen sei und die Herrschaft der Maschine durch die des Menschen abgelöst werden könne (Fried 1931: 4-5, 42, 46). "Es wird heißen: Zurück zur Natur! Zurück zum Menschen! Zurück aufs Land! Zurück zu Gott!" (Die Tat 1931 1932, 1: 346). Eine Verbindung dieser gegensätzlichen Haltungen findet sich in Niekischs Formel 'moderne Technik vom barbarisch-primitiven Sein gehandhabt' (Niekisch 1930: 101).
9) Dieser Einwand gilt auch gegenüber dem Versuch Prümms, die 'Konservative Revolution' durch die folgenden fünf Komponenten zu bestimmen: das Bekenntnis zum Irrationalismus; die antiliberale, antidemokratische und antiparlamentarische Grundhaltung; die Apperzeption eines dynamischen Revolutionsbegriffs, der antikapitalistische Affekte einschließt; die Trennung vom wilhelminischen Nationalismus und die Beschwörung der Schützengrabengemeinschaft (Prümm 1974,I: 6-7). Alle diese Kriterien treffen auch auf den Nationalsozialismus zu, der sich zwar durch seine Organisationsform als Partei von der 'Konservativen Revolution' absetzt, diesen Organisationstyp aber so stark in Richtung auf Führer-Gefolgschaftsstrukturen transformiert, daß diese Differenz nicht ernstlich ins Gewicht fällt. Damit soll nicht insinuiert werden, daß die 'Konservative Revolution' nur eine besondere Erscheinungsform des Faschismus sei, wie die marxistisch-leninistische Interpretation von jeher behauptet (Petzold 1978: 10). Wohl aber: daß jeder Versuch, dem Konstrukt 'Konservative Revolution' eine eigene Identität zu verleihen, auf unüberwindliche Abgrenzungsschwierigkeiten stößt.
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Most recent revision: April 07, 1998

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